Familienlehmburg aus dem Süden Marokkos

  • Hallo Kartonisten,
    heute möchte ich euch mein neuestes Projekt als Baubericht/Galerie vorstellen.
    Es handelt sich um eine der charakteristischen Lehmburgen, die man im Süden Marokkos an den Ufern der Flußtäler findet, die vom Hohen Atlas herunterkommen und in der Sahara versickern (wenn sie überhaupt soweit kommen). Mein Vorbild ist aus dem Buch von Herrn Adam entnommen, der eine Dissertation über dieses Thema geschrieben hat.
    Außerdem sind mir diese Lehmbauten von einer Frühlingsreise vor 40 Jahren nach Marroco noch gut in Erinnerung. Diese Burgen dienten örtlichen "Potentaten" als Wohnsitz und sind heute leider in ihrem Bestand sehr gefährdet, weil sie ständig ausgebessert und unterhalten werden müssen und außerdem, wenn sie erst einmal befallen sind, so gut wie nicht wieder ungezieferfrei zu kriegen sind!
    Nun zum Modell selbst: es ist im Maßstab 1:100 gehalten und nach einer Isometrie auf dem Buchtitel rekonstruiert. Außerdem fanden sich in dem Buch Schnitte, Grundrisse der einzelnen Stockwerke und Details von z.B. Fenstern und Türen. Etwas kompliziert war die Konstruktion dadurch, daß die Wände erst 1° und oben 2° nach innen fallen. Ich habe damit begonnen, einen Turm zu konstruieren, dann kam der Piramidenstumpfsockel dazu, dann die Verbindungsgrundmauern und dann die Wände. Damit habe ich erst ein Probemodell gebaut, wobei hier schon die ersten Korrekturen einfließen konnten. Auch eine erste Farbprobe der Wände wurde hier realisiert. Der unterschiedliche Ton der Wände entsteht nicht aus unterschiedlichem Material, sondern entsteht einfach aus der unterschiedlichen Rauhheit des Lehms. Die unteren Mauern sind "älter" und deshalb ausgewaschener und rauher. Die Fenster(chen) sind zum Teil ausgeschnitten und mit Innenmauern versehen. Nach den Dachaufbauten entstand die Landschaft drumrum auf einem Spantengerüst für die nötige Stabilität. Die Fotos zeigen, denke ich, das Nötige. Ich habe alles noch auf beiges Papier ausgedruckt, das macht das Ganze noch "lehmiger" und die Schnittkanten fallen nicht so krass ins Auge.

  • Hallo Hans -Joachim,
    bin sehr an deinen Baubericht interssiert.
    Zum einen von deinen Modell
    - wie konstruierst du (CAD-System ?)
    - nach welchen Vorlagen bzw.wie authentische ist das Modell zum Orginal


    zum andern zu den Orginal in Marokko
    - kannst du mehr über diese mir unbekannten "Burgen" schreiben


    Viele Grüße


    Volkmar

    U.S.S. Ticonderoga
    Shipyard HMS Alert 1:72

  • Hallo Volkmar,
    Zu Deinen Fragen:
    Ich konstruiere mit einem dafür nicht vorgesehenen Programm, nämlich QuarkXpress (ist ein teures und gutes Textverarbeitungsprogramm für Graphiker), was sich aber ganz gut dazu benutzen läßt.
    Zu Deiner zweiten Frage: Was willst Du konkret wissen? Antwort erst morgen, kämpfe noch mit den Bildern!
    Gruß Hajo

    Ein Leben ohne Kartonmodellbau ist möglich, lohnt aber nicht! (Frei nach Loriot)

  • Hallo Hajo,
    vielen Dank für deinen schnelle Antwort.
    Von diesen Programm habe ich noch nie gehört. Aber was ich von deinen Bilder so sehe, kommst du ja prima mit zurecht.


    zu den anderen Fragen
    - was versteht man unter "Lehmburg" näheres zur Bautechnik
    - wie alt sind diese Burgen
    - waren sie auch zur Verteidigung gebaut
    - oder als Schutz vor den Klima in Nordafrika
    - wieviele Menschen wohnten in diesen Burgen



    Grüße


    Volkmar

    U.S.S. Ticonderoga
    Shipyard HMS Alert 1:72

  • Hallo Volkmar,
    hier die Antworten:
    1.Die Burgen bestehen hauptsächlich aus Lehm. Die Grundmauern werden meist aus Felsen und Steinen, die mit Lehm vermauert werden, gebaut. Die Bauweise der Lehmwände geschieht mit einer Schalung aus ungefähr 1x2m großen Holzplatten, die auf zwei oder drei Querbalken stehen, auf einer (oder zwei) Seiten wird diese Kiste dann mit Querschotten abgeschlossen. Das Ganze wird dann mit feuchtem Lehm gefüllt und gestampft. Wenn der Lehm einigermaßen trocken ist, wird die Schalung entfernt und anschließend daneben wieder aufgebaut und das Spiel geht von Neuem los. Die Ornamente in den oberen Stockwerken entstehen durch luftgetrocknete Lehmziegel, die ornamental vorne oder zurückgesetzt verbaut werden. Die Schattenwirkung ergibt dann das Ornament.
    2. Das Alter der Burgen ist begrenzt (höchstens 100 Jahre). Sie müssen auch ständig ausgebessert werden. Regen und Wind (Schmirgelwirkung) setzen den Bauten sehr zu.
    3. Sie waren eigentlich zur Verteidigung gegen Überfälle der bösen Nachbarn gebaut. Es gibt drei Formen: Einzel stehende Burgen, Gruppen von Burgen, die mit Mauern und Höfen zu einer Einheit wurden oder Wehrdörfer, meist rechteckig mit Ecktürmen und einer einzelnen Lehmburg darin oder am Rande.
    3. Sie sind natürlich auch zum Schutz gegen das Klima. Dicke Mauern und kleine Fenster halten tagsüber die Hitze und nachts die Kälte ab.
    Die Berber siedeln im Hohen Atlas bis in Höhen von 2500m. Da braucht es im Winter Schneeschieber, um die empfindlichen Lehmdächer schnell vom Schnee zu befreien.
    5. Es wohnten natürlich viele Menschen in so einer Burg. Zumindestens immer die erweiterte Großfamilie und natürlich das Vieh (im Erdgeschoß) und da Kleinvieh (auf dem Dach) und die Vorräte und die Gäste und alles nach Männlein und Weiblein getrennt!


    Noch was zur Originalität des Modells: es ist ziemlich ähnlich. Der Herr Adam hat in seiner Dissertation über diese Lehmbauten diese Lehmburg als Beispiel genommen und ausreichend Details und Fotos in sein Buch aufgenommen.

    Ein Leben ohne Kartonmodellbau ist möglich, lohnt aber nicht! (Frei nach Loriot)

  • Hallo,
    vielen Dank für die sehr interessanten Antworten.
    Kann man sagen wann diese Technik in dieser Form entwickelt wurde.
    Wenn diese Gebäute "nur" ca. 100 Jahre halten wie lange ist die Bauzeit.



    Viele Grüße und schönen Sonntag


    Volkmar

    U.S.S. Ticonderoga
    Shipyard HMS Alert 1:72

  • Hallo Volkmar,
    ich habe keine Ahnung, wie lange diese Bautechnik (mit den verschiebbaren Schalungen) besteht. Lehmbautechnik mit gestapelten und verschmierten Lehm-Wülsten gibt es schon ewig und drei Tage (also noch länger!). Die Bauzeit schätze ich auf drei Monate, wobei diese Bauten eigentlich niemals ganz fertig sind. Immer muß ausgebessert werden und jederzeit kann angefügt oder abgerissen werden. Das Baumaterial ist unbegrenzt recycelfähig!!!
    Grüsse aus dem Lipperland,
    Hajo

    Ein Leben ohne Kartonmodellbau ist möglich, lohnt aber nicht! (Frei nach Loriot)

  • Hallo Uwe,
    das mit QuarkXpress hatte wirtschaftliche Gründe: ich wollte nach meiner Frühverrentung Geld damit verdienen. Hab' ich auch, bloß nicht genügend, um das Geld zurückzuverdienen.
    Der Bogen ist nicht käuflich zu erwerben. Leider kann man QuarkXpress nicht so gut konvertieren (Vektorgraphik!) Es gibt starken Qualitätsverlust beim Umwandeln in EPS.


    Hallo Wilfried,
    ich arbeite nicht so gern bei diesen Sachen mit Freehand, weil es etwas mühsam mit der Maßgenauigkeit ist. Früher, als ich noch berufstätig war, hab' ich die Zeichnungen in ISODRAW (kennt kein Mensch) exakt gezeichnet und dann nach Freehand rübergeschaufelt und dann mit Strukturen und Verläufen versehen. Das ging prima!
    Grüsse aus dem Lipperland,
    Hajo

    Ein Leben ohne Kartonmodellbau ist möglich, lohnt aber nicht! (Frei nach Loriot)

  • Hallo Kartonisten,
    bei diesem Projekt habe ich mal versucht, die natürliche Schattenwirkung der Sonne auf mein Kartonmodell zu übertragen. Ich zeige es hier mal an der Abwicklung des Südwestturmes:
    Von links nach rechts:
    Nordseite: keine direkte Sonneneinstrahlung, weicher Schatten.
    Westseite: Sonnenlicht von oben und rechts, kräftiger Schatten.
    Südseite: Sonnenlicht von oben, kräftiger Schatten nur oben.
    Ostseite: Sonnenlicht von oben und links, kräftiger Schatten.
    Außerdem habe ich alle Flächen, die später oben liegen, heller gehalten (hier zu sehen zwischen den "Hörnern"). Man muß sich allerdings hüten, diesen Effekt zu übertreiben! Aber hier darf es, glaube ich, sein, weil die Burg ja praktisch in der Saharasonne steht.
    Außerdem habe ich die Schnitt- und Biegekanten nicht in Schwarz, sondern im nächstdunkleren Braunton gehalten, dann sind die Kanten nicht so hart. Leider sieht man bei dieser Strichstärke (Haarlinien) keinen Unterschied zwischen durchgehender und gestrichelter Linie, obwohl er vorhanden ist!
    Grüsse aus dem Lipperland,
    Hajo

  • Hallo Maddin,
    auch ich bin ein Bastelfreak! Deshalb liegt bei der Fertigstellung des einen Projekts bereits das nächste, was sage ich, die nächsten auf dem Tisch. Und wenn man drei Monate (natürlich nicht Tag und Nacht) an der Lehmburg gebastelt hat, hat man eigentlich genug davon. Besonders wenn man weiß, dass das Aufbereiten des Modells für allgemeinen Gebrauch auch wieder eine Menge Zeit kostet. Für absolute Liebhaber bin ich aber bereit, Ausdrucke der Bogen zu machen.
    Grüsse aus dem Lipperland

    Ein Leben ohne Kartonmodellbau ist möglich, lohnt aber nicht! (Frei nach Loriot)

  • Hey Maddin,
    Du hast mir wieder Alpträume besorgt!!!!
    Weihnachten steht vor der Tür und ich hab' noch kein einziges Geschenk! Jetzt sag nicht, dass hat ja noch soviel Zeit, es sind nur noch 124 Tage und ich habe die verkaufsfreien Sonntage schon mitgerechnet! Das wird wieder eine Hetze.
    Oder hast Du bei Deinem Geschenk mehr 2007 im Auge? Dein Bruder weiß ja noch nichts von seinem Glück! ;)
    fragt sich
    Hajo


    P.S. Ich schicke die Ausdrucke, wenn Du mir Deine Adresse schickst, Du wohnst doch nicht allein in Marburg!

    Ein Leben ohne Kartonmodellbau ist möglich, lohnt aber nicht! (Frei nach Loriot)

  • Also, da setzt es mich nieder - Quark XPress als Konstruktionsprogramm !


    Eine Zeitlang habe ich Anfang der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts XPress auf einem Mac erfolgreich als Layouter eingesetzt und in Freehand die Graphiken dazugebaut - das war wirklich spannend - aber als Konstruktionsprogramm ist das echt eine Neuigkeit.


    Zur Zeit halte ich mich beruflich in Kuwait auf, da gibt es auch noch ganz wenige alte Gebäude - die Stahl- und Glastürme wuchern hier wie die Schwammerln nach dem warmen Sommerregen.


    Nur mit Plänen ist das so eine Sache - bisher konnte ich nur ein halbwegs ansprechendes Buch über die ältere Architektur ausfindig machen (ich suche allerdings nicht übermäßig angestrengt): "Traditional Domestic Architecture of the Arab Region" von Friedrich Ragette, ISBN 3-932565-30-4, Edition Axel Menges.


    Interessant ist dieses Druckwerk vor allem wegen der zahlreichen Pläne, die zwar keine Abmessungen, aber dafür Proportionen beinhalten.


    Mit den Fotos, die ich von den alten Häusern machen kann, gibt das schon ein recht nettes Bild der Architektur, die meiner Meinung nach dem Kartonmodellbau entgegenkommt, weil es klare Linien sind, die sich recht schon aus Karton nachbilden lassen.


    Soviel einmal für jetzt - Glückwunsch zur Planung und Ausführung.
    Michael

  • Liebe Kartonmodellbaufreunde,

    ich möchte mich hier ganz herzlich bei
    Hans-Joachim bedanken. Er hat selbstlos
    das Modell der Familienlehmburg dem
    Modellbau-Museum Heidelberg vermacht.
    Das Modell hat den Versand von Lemgo
    nach Heidelberg ohne jede Schädigung
    überstanden.
    Wir vom Kartonmodell-Museum bedauern,
    dass sich Hans-Joachim nicht dazu entschließen
    konnte, dieses wunderbare Modell als
    Modellbaubogen zu veröffentlichen.

    Das Modell ist ab dem 16. Dezember 2006
    im Kartonmodell-Museum Heidelberg
    zu besichtigen.

    Gruß an alle Kartonmodellfreunde

    Marian

  • Ein wirkliche Prachtstück =) =) =)


    Wie wurde das Meisterwerk verpackt ????


    Marian, wie du weißt habe ich auch einmal die Aufgabe so ein Packet aufzugeben.


    Derzeit denke ich daran das Modell auf eine stabile Grundplatte zu kleben und den Karton (mit Holz?) zu vertsteifen.


    Wenn man das Modell dann noch "rutschsicher" verpackt sollte es funktionieren.


    Trotzdem bin ich für jeden Tipp dankbar.


    Wäre ja schade wenn das gute Stück kaputtgeht. ;( ;( ;(


    Gruß, Herbert

  • Hallo Micro,

    ja, bei der Verpackung hat Hans-Joachim gute
    Arbeit geleistet.

    Das Wichtigste ist wohl der sehr stabile
    Karton, der im etwa die Ausmaße der
    Grundplatte hat. Bild 1

    Bild 2 zeigt, dass das Modell sich in
    dem Karton kaum bewegen kann. Also
    auf dem Transport auch nicht durch
    gerüttelt wird.

    Bild 3 Damit von Oben und den Seiten
    kein direkter Druck auf das Modell
    ausgeübt wird, wurde es mit einem
    Kartonring umschlossen uns anschließend
    mit weichem Papier ausgefüttert. Bild 4

    So hat das Modell den weiten Weg von Lemgo
    nach Heidelberg schadlos überstanden.

    Gruß

    Marian

  • Wie die Bilder zeigen ist Hans-Joachim nicht nur ein exzelenter Modellbauer sondern auch ein richtiger Verpackungskünstler. :D


    Ich werde mir daran ein Beispiel nehmen.


    Gruß, Herbert

  • Hallo Michael,
    heute habe ich mir das von Dir empfohlene Buch ausgeliehen (Trad. Domestic Architecture of the Arab Region). Ich finde das echt prima, vor allem deshalb, weil das von mir gebaute Tighremt auf Seite 112 zu finden ist. Nee, mal im Ernst, das Buch ist sehr informativ, es beschreibt z.B. sehr schön die Windfangtürme zur Klimatisierung!
    Grüße aus dem Lipperland
    Hajo

    Ein Leben ohne Kartonmodellbau ist möglich, lohnt aber nicht! (Frei nach Loriot)

  • Da bin ich aber gespannt wieviel darus man lernen kann....


    Windfangtürme......



    Echt, wirklich,..... reizender Intelligenz der Schoepfer.........


    Wenn ich dies lese, wass sollte es da noch mehr an interessantes hervorgeben bei dieses schon im architektonischen Gestalt schon hochinteressantes Objekt geben?


    Gert

  • Hallo HaJo,


    ein sehr schönes Objekt, und Augenweite zugleich.
    da kann man nur =D> =D> =D> =D> =D> =D> =D> =D> =D>


    Viele Grüße


    Herbert

    Die letzten Arbeiten: Lotsenversetzboot Frya, Antonow AN 10, Saporoshez SAS 966, Werftkran, Bunkerboot, MS Schwerin, MS Vasoula, Fregatte Berlin, FLB 40-3, Forschungsschiff Valdivia, MV Estvard Dana, Trimaran FOB TRIM, L-60 Brigadyr, MS Stralsund, Dampfer Imperator, Tauchboot TRIESTE, Fähre Loch Fyne


    In Arbeit: Eisbrecher Stephan Janzen


  • Hallo, Hans-Joachim,


    zur Zeit habe ich einiges zu tun, es freut mich, daß ich ein Buch gefunden habe, daß so zum Forum "paßt".


    Alles Gute, Michael

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    :) Die wahren Abenteuer sind im Kopf (A. Heller) :)
    :) The brain provides the outmost adventures (A. Heller) :)