Das Mausoleum von Halikarnassos (Eigenbau, 1:160)

  • Liebe Freunde,


    heute am Pfingstsonntag habe ich endlich etwas Zeit, euch an meinem Projekt teilhaben zu lassen, das ich in den letzten 5-6 Wochen produziert habe und mit dem ich dann doch schneller fertig geworden bin, als ich dachte:


    Das Mausoleum von Halikarnassos.

    Dieses war ja, wie ihr vielleicht wisst, eines der Sieben Weltwunder der Antike, 368-350 v. Chr. für den Satrapen (Kleinkönig) Mausolos und seine Frau (und Schwester) Artemisia im neugebauten Zentzrum seiner Residenzstadt Halikarnassos (heute der bekannte Badeort Bodrum in der Türkei) errichtet.

    Die ausführenden Künstler sollen nach Strabon und Vitruv Bryaxis aus Karien (Nordseite), Leochares von Athen (Westseite), Timotheos (Südseite) und Skopas von Paros (Ostseite) gewesen ein und es soll von vollendeter Schönheit gewesen sein. Der Bautyp "Mausoleum" (= prunkvolles Grabmal) hat sogar seinen Namen davon bekommen.


    Nach Teilzerstörungen durch mehrere Erdbeben im Mittelalter stand es dann noch recht lange und wurde erst um 1530 endgültig zerstört, als die Malteserritter ihre dortige Burg aus seinen Steinen errichteten..... ;( Heute liegen in Bodrum am originalen Ort nur noch diverse Säulen- und Mauerstücke, die keinerlei Eindruck davon geben, wie das Bauwerk ausgesehen hat. Die wichtigsten Teile befinden sich in Bristish Museum in London: viele Platten eines großartigen Amazonenkampf-Frieses (es gab auch ein Kentaurenkampf und ein Wagenlenker-Relief), Teile von Löwen, eine Hälfte eines großartigen riesigen Pferdes (von der bekrönenden Quadriga [= Vierer-Pferdegespann], sowie die beiden einzigen, halbwegs erhaltenen (d. h. aus zahllosen Stücken wieder zusammengebauten) Statuen eines Mannes und einer Frau, genannt "Mausolos und Artemisa" (die Benennung stimmt aber natürlich nicht).


    Es gibt kein brauchbares Kartonmodell von diesem legendären Bau, was mich letztlich dazu motivierte, dieses Modell zu versuchen zu realisieren.


    Soweit, so gut, nun aber zu den Problemen:

    Selbst die gewieftesten Archäologen wissen nicht, wie das Mausoleum ausgesehen hat, denn es gibt keinerlei Darstellungen davon, keinen Plan, keine Zeichnung und keine Münzdarstellung. Nur Beschreibungen der o. g. antiken Historiker. Letztlich gibt es Dutzende von Mausoleums-Varianten.


    Deshalb entschloss ich mich, zu versuchen es zu bauen, wie es meiner Meinung nach ausgesehen hat. Möglichst exakt nach den historischen Angaen und auf halbwegs neuster Erkenntnis - insofern also fast schon etwas wissenschaftlich Neues, das es hier gibt! :P


    Das ist die heutige Fundstätte in Bodrum, die sieht echt deprimierend aus: :thumbdown:

    (Quelle: Wikimedia Commons, FollowingHadrian)


    Und das ist eine Zusammenstellung der oben erwähnten Fragmente:

    (Quelle: Pinterest)


    Und das hier ist die bekannteste Rekonstruktionsvariante, die zumeist gezeigt (nach Fritz Krischen aus den 1950er Jahren): Ein riesiger Sockel, dann eine ionische Säulenhalle, dann eine Pyramide als Dach und ganz oben drauf die erwähnte Quadriga:

    (Quelle: Wikimedia Commons; Nevit Dilmen talk).


    So, das war's dann erst mal für heute. Morgen vielleicht mehr.


    Viele Grüße

    Stefan

    Nächste Projekte: Hamburger Michel, Konstantinsbogen Rom, Marcellus-Theater in Rom, Notre Dame de Paris (alle von Schreiber)

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  • So, jetzt kann es weitergehen.


    Meine Rekonstruktion basiert versuchsweise auf neuesten, oder zumindest neueren Erkenntnissen.


    Interessant (aber leider wenig bekannt) ist, dass ein englischer Forscher vor 25 Jahren rausgefunden hat, dass das Gebäude doch etwas anders aussah als man bisher immer angenommen hatte:

    - es war insgesamt 7 m niedriger (man hatte die Höhenangabe bei Plinius falsch gelesen)

    - der Unterbau ("Podium") war ein gutes Stück niedriger, als bisher immer gedacht (also nicht so turmartig hoch), so dass die Bauteile unterhalb der Säulenhalle gleich hoch waren, wie alles darüber.

    - Über der Pyramide befand sich eine sog. "Meta", also eine oben etwas zulaufende Spitze, ähnlich wie ein Obelisk, auf der dann erst die Quadriga stand (was auch Sinn macht, denn in über 30 m Höhe, perspektivisch verkürzt und teilweise verdeckt durch Halle, Pyramide und Zierfiguren hätte man sie sicher nur schlecht gesehen).


    Hingegen sind die Höhe, Größe und Säulenanzahl der Säulenhalle aufgrund der Säulenordnung (die immer feststeht) und durch Plinius' Angaben bekannt, ebenso die der Pyramide, denn man weiß, dass sie 24 Stufen (für die Regierungsjahre von Mausolos) hoch war.


    Dann streitet man sich über die Bauplastik also die Reliefs und Figuren, für die das Bauwerk ja sehr berühmt war. Wirklich archäologisch nachgewiesen sind aber nur 3 Reliefs (eines davon wohl innen in der Grabkammer) und neben der schon erwähnten Pferde der Quadriga viele wunderschöne Löwenfiguren, deren Reste überall um die Ruine herumlagen und die vielleicht oben am Dachrand standen.

    Etliche Forscher nehmen auch Massen an Figuren an (so auch auf der einen Zeichnung oben), die entweder unten am Sockel (der zurückspringend gewesen wäre, was aber nicht sein kann) gestanden hätten, vor allem aber in der oberen Säulenhalle hinten. Das macht aber keinerlei Sinn, denn das Grabmal war sehr wahrscheinlich nicht zu besuchen oder zu besteigen und man hätte die weit hinten, unter der Kassettendecke stehenden Figuren von weit unten schlichtweg nicht sehen können. Bei mir stehen die Statuen nur vorne, zwischen den Säulen, wo man sie auch von unten gesehen hat. Weniger ist mehr!


    Ich weiß, dass ist jetzt alles sehr viel Fachsimpelei und für manche vielleicht unverständlich. Ich wollte einfach nur mal meine Überlegungen zu diesem legendären Bauwerk darlegen, um euch zu verdeutlichen, dass ich versucht habe, das Ganze so weit wie möglich wissenschaftlich zu machen (nach meinem Dafürhalten natürlich, das muss ja nicht stimmen).


    Der langen Rede kurzer Sinn, das Grabmal sieht dann bei mir so aus:

    Unten also niedriger, oben mit der erwähnten zusätzlichen Spitze.

    Mein "Steinbruch" war eine sehr schöne Zeichnung für eine Publikation, die ich im Netz fand, und die ich zumindest für die groben Steinoberflächen verwendete. Anders als bei dem wunderbaren Schreiber-Modell vom Parthenon in Athen (das ich natürlich auch habe) sind hier die Oberflächen gelblich, was mir sehr gut gefällt, da das dem berühmten Pentelischen Marmor entspricht, der mit der Zeit honiggelb patiniert (man kann das sehr gut z. Z. auf der Akropolis anhand der laufenden Restaurierungsarbeiten sehen, wo die neuen Steine hellweiß sind, die alten aber gelb). Eigentlich habe ich aber alles neu gezeichnet, die Auflösung hatte ja auch gefehlt.


    Und - tataaaaa! - das kam dann dabei heraus: Mein erstes komplett eigenes Modell in 1:160 auf insgesamt 15 DIN A4 Bögen (hoffentlich wird es nicht zu fitzelig werden, ich wollte es wegen des Platzproblems in meiner Wohnung aber nicht größer machen als auf 'ner Grundfläche von DIN A4):



    Das wars für heute, vielleicht gefällt es euch ja.

    Gruß Stefan

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  • Wow! Die alten Baumeister werden sich freuen, dass sich jemand mit ihrem tollen Werk beschäftigt und mit so viel Hingabe nachbaut.

    Ohne den Bau selbst zu kennen, bin ich mir sicher, dass der gesamte Bau exakt geometrischen Gesetzen folgt und diese auf beeindruckende Weise zum Ausdruck gebracht hat.

    Die tiefere Beschäftigung mit der Geometrie der alten heiligen Stätten ist eine ganz faszinierende.

    Ich bin gespannt, wie Dein Werk aussieht, wenn es fertig ist.

    Viel Spaß beim Basteln und wer weiß, vielleicht meldet sich ja einer der alten Baumeister bei Dir. 😉😊

  • Zaphod

    Deichtante

    Ganz lieben Dank für eure wertschätzenden Kommentare!


    Das ABC-Modell kenne ich von Bildern, ich hatte mir den Bogen irgendwo auch mal heruntergeladen. Es zeigt aber das Grabmal in einem reinen Phantasiezustand, der nicht wissenschaftlich ist. Das betrifft die Umgebung als auch das Bauwerk selbst in seinen Abmessungen nach Länge, Breite, Höhe.


    Mal sehen wie es bei mir wird. Ich bin sehr gespannt und werde berichten (dauert aber, bis ich dazu komme) und die einzelnen Schritte kommentieren.

    Viele Grüße Stefan

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