Die portugiesische Karavelle von 1450 - 1:250 - Eigenbau

  • Die portugiesische Karavelle um 1450


    Es gibt Modelle, die sind mir ans Herz gewachsen. Eines davon ist meine Karavelle im Maßstab 1:250 die ich 2011 gebaut habe. Mit dem Modell verbinde ich einen sehr schönen Portugalaufenthalt (Porto, Lissabon, Sagres, Lagos) und eine intensive Recherchearbeit, die mir damals viele neue Erkentnisse zu diesen Schffen gebracht hat. Jetzt steht das Modell täglich im Corona-Homeoffice vor meiner Nase und bei so manchen Onlinekonferenzen bleibt mein Blick daran hängen. im Laufe der letzten elf Jahre habe ich über Karavellen einiges mehr erfahren und gelesen als ich damals wusste. Und meine Fertigkeiten als Modellbauer haben sich - hoffentlich - auch weiter entwickelt. Irgendwann fing ich eine innere Bestandsaufnahme des kleinen Dioramas an und bin nun zu dem Entschluß gekommen, eine neues Modell zu bauen.


    Das vorhandene Modell - auf den Fotos stelle ich es Euch vor - ist natürlich aus Karton und Papier gebaut. Es war kein Bausatz und ist nach Plan entstanden.


     


     

    »Das muss das Boot ab können!»

  • Bestandsaufnahme und Fragestellungen zum vorhandenem Modell:


    - Schönes Modell, gute Wasser- und Kursdarstellung

    - Kreuze zu groß und falsch in der Darstellung

    - Rumpf zu dunkel und zu "eckig"

    - Scheerstöcke und Plankenschema des Decks überprüfen

    - Bewaffnung ändern und prüfen

    - Mastkorb und Leiter fraglich und Originaldokumente darauf durchsehen

    - Decksprung stärker ausbauen

    - Beiboot an Deck?

    - Display kleiner, Modell soll die Steuerbordseite als Schauseite haben (wie meine anderen Modelle auch)

    - Beting oder Bratspill?

    - Stockanker oder Draggen?

    - Führung der Großschot über die Bordwand?

    »Das muss das Boot ab können!»

  • Um eine Vorstellung dieser Schiffe zu geben, habe ich alte Fotos von meinem Besuch auf einem Nachbau im Hafen von Lagos gefunden. Der Besuch war 2011.


     


     

    »Das muss das Boot ab können!»

  • Zum Original und den vorliegenden Quellen:


    Um den Seeweg nach Indien zu finden, betrieb Portugal im 15. Jahrhundert eine intensive und geplante Suche. Es dauert rund 50 Jahre bis 1498 Vasco da Gama endlich das fehlende letzte Wegstück fand und den indischen Subkontinent erreichen konnte. Unter Prinz Heinrich, der den Beinamen "der Seefahrer" trug, wurden alle Erkenntnisse und Erfahrungen der einzelnen Reisen systematisch zusammengetragen. An seiner Seefahrerschule in Sagres versammelte er alle nötigen WIssenschaftler und Navigatoren um in moderner Art und Weise zu forschen.

    Es stellte sich bald heraus, dass ein eigener Schiffstyp nötig ist um die afrikanischen Küsten zu befahren, in Flussläufe einzusegeln und vor allem: um gegen die herrschenden Winde des Nordpassats zurück nach Portugal zu kommen.


    Ab jetzt weiß man nichts genaues. Die Karavelle wurde wahrscheinlich aus den Fischerbooten des Mittelmeerraums weiterentwickelt oder war schon als eigener Typ in Portugal vorhanden. Das markante Lateinersegel war schon ab dem 9. Jahrhundert im Mittelmeer verbreitet. Kam es vielleicht aus dem arabschen Raum wo es heute - wie im Mittelmmer - noch in Gebrauch ist?


    Mein vorhandenes Modell und auch mein neues Modell basiert auf den Plänen von Heinz Gronen. Die Zeichnungen wurden 1986 als dreiteilige Serie in der Zeitschrift DAS LOGBUCH vom Arbeitskreis historischer Schiffbau e.V. veröffentlicht. Es gibt keine originalen Zeichnungen oder gar ein erhaltenes, zeitgenössisches Modell zu einer Karavelle. Insofern sind alle Darstellungen lediglich Versuche das Aussehen eines solchen Schiffes zu umreissen. Hinzu kommen einige Bücher und Publikationen zum Thema die überwiegend die Karavellen der Kolumbusflotte behandeln.


    Da ich kein konkretes Schiff baue, baue ich nicht streng nach Plan sondern lasse eigene Vorstellungen und Erkentnisse anderer Rekonstruktionen einfließen.


    Zum Glück habe ich meine Recherche von damals aufgehoben und abgespeichert. Somit brauche ich nicht wieder bei Null beginnen.


     

    »Das muss das Boot ab können!»

  • Der Modellbau


    Es wird wieder ein Einzelstück werden. Eine Bogenerstellung oderso habe ich nicht im Sinn (sowas kann ich auch gar nicht :love: )


    Die von mir verwendete Rekonstruktion von Heinz Gronen zeigt eine zweimastige Karavelle (genauer: eine Quersegelkaravelle, carabela latina) die sowohl hochseetauglich, als auch fähig war in flache Flussmündungen und seichte Uferzonen vorzudringen. Der Entwurf zeigt ein 18,50 Meter langes Schiff mit einem Tiefgang von 1,70 Meter. Der Segler hätte eine Verdrängung von 120 Tonnen.


    Auf Basis der Planzeichnungen und der vorhandenen, alten Computerdateien habe ich das rund 8 cm lange Spantengerüst aufgebaut. Den Rumpf baue ich diesmal etwas höher damit später das fertige Modell etwas höher aus der Wasserdarstellung ragt. Unter die Grundplatte habe ich daher eine 2mm starke Balsaholzlage geklebt. Dieses Lage soll das Unterwasserschiff andeuten. Sie wird mit Schmirgelpapier an die entstehende Rumpfform durch Schleifen angeglichen.


     

    »Das muss das Boot ab können!»

  • Das Plankenschema des Decks habe ich nun so angelegt, dass beidseits der Scherstöcke die Planken einen geraden Verlauf haben. Beim alten Modell habe ich die Planken damals der Krümmung der Bordwand angepasst und in Bögen laufen lassen. Ich glaube heute, dass die Decksplanken so einfach und unaufwändig wie möglich und nötig gelegt wurden.


    Der Computerausdruck des Decks lag eine Weile in Tee um gefärbt zu werden. Einzelne Planken habe ich mit dem Bleistift nachgedunkelt. Um das Deck herum habe ich einen Wassergang (mit Aussparungen für die Speigatts) aufgedoppelt. Die Scherstöcke liegen ebenfalls aufgedopplt und abgedunkelt auf (Scherstöcke sind Hölzer die den Rumpf in Längsrichtung Halt geben).


    Die Spanten habe ich hier und da mit einer Schere bündig mit den Deck gebracht. Schon jetzt habe ich die Ankerleinen eingeschoren (da komme ich später nicht mehr 'dran).


    »Das muss das Boot ab können!»

  • Jetzt wirds basic:


    Die Abwicklungen für das Schanzkleid kamen mit Bleistift auf Transparentpapier. Die Vorlagen habe ich auf einem Leuchtkasten auf Karton übertragen, ausgeschnitten und Schanzkleidstützen und Stringer aufgedoppelt. In Ermangelung von Klampen oder gar Nagelbänken wurden um die Stringer an beliebigen Stellen Leinen des laufenden Guts belegt. Alle gefärbten Teile sind mit Aquarellfarbe gemalt. Laschen sollen die Klebeverbindung zum Spantgerippe herstellen. Geklebt wurde beim Spantengerippe mit Uhu, aber jetzt wird mit Holzleim gearbeitet.

    Den unteren Teil der Rumpfabwicklung habe ich genauso aus der Hand mit Augenmaß konstruiert. Dieses Konstrukt wurde nun mit Fertigspachtel aus der Tube gespachelt und geschliffen.


    Es ist nun zu erkennen, dass es eindeutig ein kleines Schiffsmodell werden wird...


     


     

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  • Die Hütte achtern wurde nach oben mit dem kleinen Poopdeck abgeschlossen.


    In der Hauptsache stand hier der Rudergänger an der Pinne trocken und relativ windgeschützt. Er konnte leicht vor die Hütte treten ohne die Pinne loszulassen um einen prüfenden Blick in die Segel zu werfen. Seitlich waren im Raum Kojen eingebaut. Vielleicht zwei übereinander pro Schiffsseite? Hier hatte die Schiffsführung einen Schlafplatz während die Mannschaft entweder an Deck oder bei schlechtem Wetter im Laderaum auf dem dort gestauten Proviant schlief. Hängematten waren den Portugiesen übrigens unbekannt. Sie kamen erst mit den Kolumbus-Expeditionen aus der Karibik nach Europa.


    Auf den geschliffenen Rumpf habe ich mit Bleistift die Lagen der Barkhölzer aufgezeichnet. Damit ich die Markierungen beim anschließenden Bemalen nicht verliere, habe ich sie mit Serafilgarn aufgeleimt.


     

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  • Es wird Zeit für einen kleinen Größenvergleich:


    Die Karavelle für die Atlantikfahrt neben der ALEXANDRA von der Flensburger Förde und neben ELBE No.5 für die Elbmündung:


     

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  • Farbe bekennen


    Der Rumpf hat Farbe bekommen und ist zur weiteren Montage auf einen Korkklotz umgezogen (vielleicht aus den Kork einer portugiesischen Korkeiche geschnitten?).


    Die Barkhölzer sind aufgeleimt. Begonnen habe ich am Spiegel und dann von achtern nach vorn je die Seiten aufgeklebt. Der Rumpf ist mit brauner Aquarellfarbe gemalt. Vorher habe ich ihn mit Schnellschleifgrund behandelt und mit feiner Schmirgelwolle geglättet.


    Abweichend vom Plan habe ich auf die drei bogenförmigen Fenster an den Seiten verzichtet. Ebenso fehlen die runden Stückpforten (es sollen nur Drehbassen auf die Reling kommen. Dafür ist Zahl der Fender - oder auch Schlieten genannt - erhöht.


    Das Unterwasserschiff hat einen hellgraue Anstrich und soll Bleiweiß imitieren. Den ersten bildlichen Beleg für so einen hellen Schutzanstrich gibt es erst aus dem Jahre 1513 (Karte des Piri Reis https://de.wikipedia.org/wiki/Karte_des_Piri_Reis ). Die antiken Griechen und Römer kannten diese Technik des Fäulnisschutzes aber schon so dass es für mein Modell möglich ist. Wie anfangs geschrieben soll dieses neue Modell deutlich heller werden als das vorhandene. Mit der deutlichen Trennung von Über- und Unterwasseranstrich erhoffe ich mir später einen schönen Gesamteindruck.


     


     

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  • Die Decksausstattung:


    Die Karavelle hat nun ihre zwei Ladeluken und eine Pumpe bekommen.

    Ich habe eine Schwengelpumpe nach dem vorliegenden Bauplan gebaut. Sie ist historisch möglich. Sie steht leicht neben der Mittschiffslinie damit das Saugrohr unten den Raum neben dem Kielschwein erreichen kann. Zwei Kupferringe schließen die Einläufe der Ankertaue ins Deck ab.


     


     

    »Das muss das Boot ab können!»

  • Bei dem EInbau der Ankereinrichtung standen zwei Fragen im Raum: Stockanker oder Draggen? Bratspill oder Ankerbeting? Für beide Möglichkeiten gibt es Fürsprecher und stichhaltige Argumente in der Fachwelt.


    Ich folgte den Handhabungen heutiger Mittelmeerschiffe mit Lateintakelung sowie den arabischen Dhauen und wählte Draggen und Beting für mein kleines Modell. Die beim Modellbau lästigen Ankertaue sind nun jedenfalls aus dem Weg.


    Am Vordersteven ist eine Gabel zur Ablage der Großsegelrute angebracht. Das Ruder mit Beschlägen, Pinne und Sorgleinen ist auch installiert. Die Karavelle ist damit steuerfähig.


     


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  • Die Kreuze:


    Prinz Heinrich der Seefahrer war Hochmeister des Christusordens, der wesentlich zur Vertreibung der Mauren aus Portugal beigetragen hatte. In dieser Funktion strebte Heinrich an, mit seinen Entdeckungsfahrten das Land des sagenhaften Priesterkönigs Johannes zu finden. Dieses Land wurde im Gebiet des heutigen Äthiopien und Eritrea vermutet. Zusammen mit Johannes sollte eine südliche Front gegen die Mauren eröffnet werden. Ein sagenhaftes Goldland sollte ebenfalls erreicht werden.


    Erst nach Heinrichs Tod änderte sich die Zielsetzung in die Suche nach Handelswegen nach Indien (s. oben).


    Höchstwahrscheinlich waren die Segel der portugiesischen Schiffe mit den Kreuzen des Christusordens bemaltt (so zeigen es zumindest spätere Miniaturen auf Seekarten). Ob die Zeichen bei der Annäherung an muslimische Küsten gefahren wurden, ist jedoch unklar.


    Meine Segel und Wappen zeigen jedoch dieses Insignien. Aktuell führt das portugiesische Segelschulschiff SAGRES diese Kreuze noch auf den Segeln.


    Mit dem EInbau der zwei Knechte zur Aufnahme der Fallen und des Papageienstocks achtern - um die Besanschot zu führen - ist das Deck auch schon ausgerüstet.


     


     

    »Das muss das Boot ab können!»

  • Das Boot:


    Eine Karavelle fuhr mit Sicherheit ein Beiboot. Um den Verkehr mit dem Land zu gewährleisten, um vorrausfahrend auf Flüssen die Wassertiefen zu loten oder auch Ankermanöver zu fahren, war ein Boot unbedingt wichtig. Mehrere Boote an Bord oder nachgeschleppt sind sogar wahrscheinlicher.


    Ich habe mich für ein Beiboot entschieden welches vorne auf der ersten Luke lagern soll. Es ist nach dem Plan einer Jolle aus dem AotS-Band über die Kolumbus-Schiffe entstanden. Gebaut habe ich das zwei Zentimeter lange Modell wie folgt: Zuerst habe ich mir ein Rumpfgerippe aus Graupappe und viel UHU gebaut.



    Das habe ich dann mit Spachelmasse aus der Tube ausgefüllt und mit einem kleinen Künsterspachtel geglättet.



    Nach dem Trocknen habe ich diesen Bootskern geschliffen und straff mit Klarsichtfolie aus der Küche überspannt. Eine Wäscheklammer hielt die Folie auf Spannung und diente als Griff für die weiteren Arbeiten.



    Die Folie habe ich nun kreuzweise mit Zeitungspapierstücken und viel Leim überzogen. Nach der erneuten Trocknungszeit konnte ich die entstandene Bootsschale vom Kern abziehen, beschneiden und weiter ausbauen.


     


    Das Boot ist mit Aquarellfarbe bemalt und ruht auf zwei Klampen. Die Spanten im Bootsinneren habe ich mit Bleistiftstrichen angedeutet (sie sind auf den Makros nicht zu sehen). Dollen, Riemen und Zurrings vervollständigen die Ausrüstung.


     

    »Das muss das Boot ab können!»

  • HI Tiger...

    Mit Verlaub, dass ist schon genial was Du uns hier zeigst.

    Ganz tolle Idee, mit dem Kern und der Hülle. :thumbsup:

    Gruß, Renee

    Im Wald boten sich mir zwei Wege dar.

    Ich nahm den, der weniger betreten war!

  • Moin Renee.


    Danke für die Anerkennung ^^


    Von der Technik des Beibootsbau habe ich in den 80er-Jahren mal in der Zeitschrift »SchiffsModell« gelesen. In dem Artikel ging es um den Beibootebau für die »Großen« (also: Fahrmodelle im Maßstab 1:100). Für meine Karton/Papiermodelle habe ich die Methode schon einige Male angewendet.


    Bei Vorlagen aus Kartonbogen stört mich meist, dass die Beiboote so »eckig« wirken. Abgesehen davon dass ich keine Bogenvorlage für eine Jolle des 15. Jahrhunderts hatte, machte es dieses Methode möglich, eine vorbildgerchte, »runde« Bootsform zu bauen.


    Demnächst steht auf einer anderen Baustelle der Bau eines »Chefbootses« für einen Großen Kreuzer der Kaiserlichen Marine in 1:250 an. Wenn es soweit ist, kann ich – bei Interesse – als seperates Thema darüber berichten.


    Viele Grüße aus Hamburg ins Sauerland,

    Klaus

    »Das muss das Boot ab können!»


  • Demnächst steht auf einer anderen Baustelle der Bau eines »Chefbootses« für einen Großen Kreuzer der Kaiserlichen Marine in 1:250 an. Wenn es soweit ist, kann ich – bei Interesse – als seperates Thema darüber berichten.

    Das wäre schön, wenn Du darüber hier berichten würdest :thumbup:

    Fertig: MS WILHELM GUSTLOFF, 1:250



    Aufwachen - es ist 5 vor 33...

  • Hallo Tiger,

    das wird ein Schmuckstück. Viel Erfolg weiterhin.


    Gruß

    Michel

    Ich betrachte auch einen siegreichen Krieg an sich immer als Übel, welches die Staatskunst den Völkern zu ersparen bemüht sein muß. (Otto von Bismarck)

  • Masten und Ruten:


    Die beiden Pfahlmasten und die zweiteiligen Ruten haben Kerne aus Federstahldraht die mit Zigarettenpapier umwickelt sind. Um eine leicht konische Form der einzelnen Bauteile zu bekommen, ist das Papier dreieckig geschnitten um beim wickeln unterschiedliche Durchmesser zu erzeugen.




    Die Masten sind braun, Ruten und Toppen dunkelgrau - das ist mein "Schwarz"- bemalt. Die Ruten zeigen schwarze Serafilwulinge.

    Die Bezeichnungen "Ruten" oder "Rahen" wechseln in meinen Unterlagen. Ich bleibe bei "Ruten" da dieser Begriff im Zusammenhang mit Lateinersegeln am meisten fällt.


    Die fertigen Masten sind nun an Bord. Beide haben kantig ausgeführte Toppen mit Gatts für die Fallen. Die Mastfüße sind mit einem Keilkranz aus Fotokarton gesichert. Der Großmast - mit Fall nach vorn- hat einen kleinen Mastkorb und einen Flaggenstock mit dem einzigen Schmuck des Schiffes: einer vergoldeten Spitze!


     

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  • Die Segel:


    Zunächst habe ich die Segel nach Plan im Computer gezeichnet und ausgedruckt. Einen leichten Gelbton legte ich unter die Zeichnung. Ein beidseitiger Druck scheiterte, meine Versuche wurden passungenau.


    Die ausgeschnittenen Dreiecke für beide Seiten legte ich zunächst in Tee. Dadurch verzog sich das Papier (s. Foto weiter oben mit den welligen Exemplaren). Also schnitt ich die Dreiecke nochmal aus einem sauberen Druck und klebte beide Seiten mit UHU zusammen. Damit die Segel eine vorbildliche Farbe zeigen, strich ich sie in Richtung der Segelbahnen mit stark verdünnter Acrylfarbe in einem Ockerton. Die Segelbahnen habe ich mit dem Cutter eingeritzt und mit Buntstiften und Pastellkreide einzelne Tuchbahnen herausgerabeitet. Der Abrieb der Farbpigmente setzt sich in die Ritzungen und fördert ein realistisches Bild der Nähte. Eine Estompe war bei der Arbeit sehr hilfreich.


    Aus Serafil habe ich die Liektaue ringherum angeleimt. Beide Segel kamen dann an die Ruten und wurden vor der Montage an die Masten mit Gordings und Fallen ausgestattet.


     

    »Das muss das Boot ab können!»

  • Zeit für einen Größenvergleich:


    Das Großsegel vor dem SRK THEODOR HEUSS und vor einem Schweizer Krokodil. Mit dem Segel könnte man die Lok einpacken.


     

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  • Ich bedanke mich für die vielen Likes! Das freut und motiviert mich ^^


    Die Takelage:


    Die Takelage klebe ich aus einzelnen Teilen zusammen. Funktionierende Blöcke haben sich in der Vergangenheit als zu klobig und unmaßstäblich erwiesen. Bei der Takelage arbeite ich mit etwas geringeren Garnstärken um das Gesamtbild möglichst grazil zu halten. Das kommt meiner Meinung nach dem realen Eindruck - bei dem eine Überstrahlung durch Sonnenlicht eine große Rolle in der Wahrnehmng spielt - am nächsten.


    Alle Blöcke und Jungfern sind dem Bauplan folgend aus Papier geschnitten, auf Serafilstücke geleimt, und mit einem zweiten, ausgeschnittenen Block hinterklebt und dann dunkelgrau angemalt.



    Die schöne Münze hatte ich noch vom Modellbau meiner ersten Karavelle parat. Sie passt thematisch so schön :D

    Ihr Umfang entspricht dem eines 10-Cent-Stücks.


    »Das muss das Boot ab können!»

  • Segel setzen:


    Für die Anbringung der Takelage musste ich mir zunächst eine Arbeitstaktik überlegen. Zunächst habe ich mit den Leewanten des Besanmastes begonnen, dann das vorbereitete Besansegel über die Wanten gesetzt, das Fall am Knecht befestigt und zum Schluss die Luvwanten geklebt.


    Die Wanten waren mit schweren Blöcken auf Taljen gesetzt. Die Taljen hatten eine lange Lose welche in Buchten über die unteren Blöcke gelegt wurden. Die oberen Blöcke der Taljen wurden nach Art der Mittelmeerschiffe mit Knebel am Want befestigt um bei Bedarf schnell gelöst werden zu können. Die Knebel sind im Modell kurze, aufgeleimte Kunststoffborsten vom Besen.


    Die Geitaue sind an der Reling des Poopdecks belegt. Zunächst hatte ich mich geärgert dort schon die Wappenschilde angeklebt zu haben. Im Nachhinein hat sich die Baureihenfolge aber als richtig herausgestellt da die Wappenschilde gleichmäßige Reihen bilden und die Gordings nun die Lücken füllen.


    Das Boot steht über der vorderen Luke und Reservehölzer sind an Deck gestaut. Die alten Karavellen hatten sicherlich viel mehr Hölzer an Deck. Ich wollte das Bild aber nicht überladen und habe nur ein paar Dinge angedeutet die nötig sind, um z.B. eine gebrochene Rute auf See schienen zu können.


    Die Leewanten des Großmastes sind auch schon gesetzt.


     


     

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  • Segeln mit Lateinersegeln:


    Meine Karavelle soll auf Backbordbug am Wind liegend segeln. Beide Segel zeige ich dabei über den Wanten liegend. Bei Kurswechseln vermute ich, das zunnächst das Besansegel weggenommen und die Großschot gelöst wurde um das Großsegel nach vorn auswehen zu lassen. Mit den Halstaljen wurde dann vielleicht die Rute zunächst zum Mast und dann auf die neue Leeseite geschiftet. Die Schot wurde um die Rutennock gehoben um das Segel "umzuschlagen". Die neuen Luvwanten wurden kurz mit den Strecktaljen gelockert um das Segel darüber führen zu können. War der Kurswechsel vollzogen wurden die Luvwanten wieder steif gesetzt.


    Bei heutigen Nachbauten sieht man, dass die Segel innerhalb der Wanten gefahren werden und auf das mühsame Schiften verzichtet wird. Bei Kurswechsel drückt das Segel dann in den Mast. Offenbar ist der Segeldruck dabei gleich als wenn das Segel frei nach Lee stehen kann. Das lässt sich auch bei Einmastern mit Lateinsegeln (vor der spanischen oder italienischen Küste ) beobachten.


    Das Fahren der Segel über den Wanten hat den Vorteil, dass Vorm-Wind-Kurse besser möglich sind da das Segel viel mehr Bewegungsraum hat.

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  • Da folgt auch schon das Großsegel nach der selben Arbeitsweise wie der Besan. Die lange Rute ist jedoch vorn mit zwei Halstaljen geführt.


    Um die Serafilfäden schön straff zu bekommen, halte ich eine heiße Lötpistole sehr vorsichtig unter. Die Hitze strafft die Kunststoffgarne schlagartig. Genauso schmelze ich Überstände an Kleber- oder Knotenpunkten ab um saubere Abschlüsse zu erzielen.


     

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  • Die Karavelle hat nun ihren Bauplatz, den Schleifkork, verlassen. Es fehlen noch einige Dinge (Leiter zum Mast, Kochkiste, Mannchaft, Flaggen, Waffen) die später hinzukommen. Das Modell soll auch wieder in einer Wasserdarstellung kommen so dass die Endmontage "schwimmend" weitergeht.


     


     

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  • Bevor es mit dem "Wasserbau" weitergeht, kommt hier noch ein Eindruck meines Fotostudios auf dem Balkon ^^


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  • Das Schiff soll schwimmen:


    Wie die meisten meiner Modelle soll auch die Karavelle in einem kleinen Diorama "schwimmend" gezeigt werden (Ganz so wie das erste Modell aus dem Jahr 2011 auch).


    Dazu habe ich aus Graupappe zunächst ein Display gebaut auf das die Wasserdarstellung aufgearbeitet werden soll. Die Karavelle soll auf Backbordbug liegen. Somit habe ich die Öffnung für das Modell etwas aus der Mitte nach rechts gelegt (damit später links Raum für die überhängenden Segel bleibt). Rings um das Modell soll noch etwas Raum bleiben (nicht zuviel, aber auch nicht zu knapp).


    Der Sockel wurde mit Zeichenpapier überzogen um zunächst die gewünschten Wellenbewegungen und die Windrichtung (Pfeile) aufzuzeichnen. Ich möchte eine kabbelige See in der das Schiff gute Fahrt macht.


     


     

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  • Moin zusammen,


    das ist absolut grosses Tennis!


    Zum Fahren der grossen Lateinersegel noch was... Bei der Beschäftigung mit Ghanjas, Schebecken und Galeeren hab ich festgestellt, daß alle Schoten und Wanten auf Knebeln standen, so daß ein schnelles Lösen der jeweiligen Parten recht fix ging, und das shiften der Rah mit Hilfe der oft zahlreichen Hände kein so grosser Aufwand war, wobei die genannten Schiffe als Kriegsschiffe wohlbemannt waren.



    Ob bei solchen Brocken wie den Realen und Galeassen oft geshiftet wurde, ist nicht sicher. Alle Abbildungen zeigen immer den optimalen Segelstand, wie es in Wirklichkeit aussah, mag dahingestellt sein bei Rahen, die mal locker 4/5 Länge des Rumpfes hatten. Sehr oft über den Wanten stehend, wobei auch einige Abbildungen von Schebecken zeigen, daß die Lee-Wanten einfach komplett lose gesetzt waren. Hals- und Oberbrassen hatten wohl alle.


    Die Racks waren sehr einfach eine Schlinge mit Korallen ohne Schlieten und wurden über einen Block je nach Segelstellung locker oder stramm gesetzt.



    Gruß

    Hadu

    Vielleicht kommt der Tag, an dem mehr Leute checken, dass Idiotie nicht links oder rechts ist, sondern in erster Linie daher rührt, dass jemand ein Idiot ist! (M. Tegge)




    www.modell-und-geschichte.jimdo.com


    Mitglied der Luft'46-Gang

  • Moin Lateinersegelfreunde :) ,


    zur Segeltechnik habe ich auch meine Bücher über die Segler aus dem arabischen Raum angesehen. Das ist alles sehr speziell und interessant. Es freut mich, dass das Thema auf Interesse stößt :thumbsup:


    Mein Modell führt die Segel über den Wanten. Damit bietet die Segelstellung mehr Raum um Abzufallen und vor allen, um auf Vor-Wind-Kurs zu gehen. Wenden und Halsen machen es daher nötig, die Segel über die Wanten zu heben. Alle Verbindungen der Takelage sind bei meiner Karavelle mit Knebel gesichert (Im Modell kleine, aufgeklebte Borstenstücke). Das sie bei den Wanten gelöst wurden, halte ich für unwahrscheinlich (obwohl das öfter zu lesen ist). Sie liegen bei meinem Modell auf rund zwei Meter Höhe. Selbst wenn sie dort oben gelöst wurden, hätten die losen Wantenenden m.M. nach unkontrolliert im Wind geschlagen. Wer hätte sie wieder »einfangen« können? Das Lockern der sehr langen Strecktaljen der Wanten konnte genug Raum zum Umheben, dem »Schiften«, der schweren Ruten geben.


    Die Karavelle hatte rund 20 Mann Besatzung. Die Segelmanöver verliefen sicher schneller und kraftsparender als wir Theoretiker uns das heute vorstellen.


    Die erwähnte Form der Racks machten es möglich, dass die Ruten ungehindert zum Deck hin gefiert werden konnten und damit beweglicher wurden. Wie der Vergleich bei #21 zeigt, war das Großsegel ein ganz schöner »Johnnie« der ordentlich Druck ins Schiff brachte.


    Viele Grüße,

    Klaus

    »Das muss das Boot ab können!»

    Edited once, last by Klaus: ... die liebe Rechtschreibung ().

  • Moin Klaus,

    Das sie bei den Wanten gelöst wurden, halte ich für unwahrscheinlich

    die Knebel der Wanten machen für mich dann Sinn, wenn die Segelstellung so geändert werden soll, dass die Segelstellung sich von hinter den Wanten zu vor den Wanten bzw. umgekehrt verändert. Es dürfte dann leichter sein, die Wanten zu lösen und wieder zu befestigen, als die Rute mit dem Segel um die Wanten herumzuholen. Werden die Segel ausschließlich vor oder hinter den Wanten gefahren, erübrigt sich das Problem.

    Ein unkontrolliertes Schlagen loser Wanten sollte mit Sicherungsleinen zu vermeiden sein.


    Viele Grüße

    Gustav

  • Hallo Gustav,


    alle Takel sind mit Knebeln befestigt: Schoten, Geeren, Halsen und eben auch die Wanten. Obwohl Portugal am Atlantik liegt, folgt dieses Tradition den Ländern des Mittelmeers.

    Der hervorragende Modellbauer Peter Holz hat bei seinem Modell die Knebel unter die Wanten gesetzt. Seine Überlegungen waren ähnlich wie meine, dass die Knebel über den Taljen unhandlich sind:


    Model of Portuguese caravel in the Deutsche Museum, Munich


    Die sehr langen Strecktaljen der Wanten machen für mich ein kontrolliertes Lösen und Öffnen der Lee-Wanten möglich.


    Wie auch immer: In einem anderen Forum haben wir aktuell jemanden losgeschickt, der zur Stunde in Portugal einen Zeitzeugen sucht :D


    Viele Grüße,

    Klaus

    »Das muss das Boot ab können!»

  • Moin Klaus,


    nachstehend ein Bild der mir bekannten Bauweise.



    Bin gespannt, was die Auskundung vor Ort ergibt.


    Viele Grüße

    Gustav

  • ... kommen wir vom segeln und knebeln wieder zum Wasserbau:


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    Die gewünschten Wellenkämme habe ich mit abgebrochenen Zahnstochern markiert. Die Kämme verlaufen gleichmäßig, das Schiff soll mit seiner Fahrt diesen Rhythmus durchbrechen.



    Die Zahnstocher habe ich dann mit Zeitungspapier und Kleister überzogen. Alles darf über die Ränder hinausragen. Ziel soll es sein, ein Stück "eingefrorene See" zu zeigen die zu allen Seiten weitergehen könnte. Es soll ein Ausschnitt des Ganzen werden.



    Mit Acrylpaste kommen nun die Wellenformen. Wichtig ist, die Zahnstocherkanten nicht ganz genau zu treffen sonden hier und da die geraden Kanten in Wellenformen verschwinden zu lassen. Diese Modellierung habe ich einige Male vorgenommen um zum gewünschten Bild zu kommen.



    Nachdem alles getrocknet war, habe ich mein "Seestück" von unten her mit der Säge beschnitten und die entstandenen Lücken zur Seite mit Paste zugestrichen. Nach mehreren Farbaufträgen in Blau, Grün und Schwarz kamen dann mehrfache Schichten klaren Acrylgels obenauf. Das Gel macht den Glanz und die finalen Wellenstrukturen. Beim Streichen mit dem breiten Borstenpinsel ist es wichtig, immer in der gedachten Windrichtung zu arbeiten. Das Gel trocknet weiß, wird dann aber transparent.




    Den Sockel habe ich mit meinem alten Entwurf eines Bandes vom 2011er-Modell umklebt. Auf einem Ausschnitt der Seekarte des Piri-Reis hat eine portugiesische Beschriftung Platz bekommen. Die ausgesuchte Schrifttype hat den Charakter der gotischen Rundschrift, Rotunda, welche im späten Mittelalter gerne in Gebrauch war. Die vier Bänder habe ich auf Zeichenkarton geklebt und zusätzlich mit Bucheinschlagfolie gesichert. Mit der umlaufenden Holzleiste - die später als Auflager für den noch zu bauenden Glaskasten dient - ist der Sockel dann soweit vollendent.


     

    »Das muss das Boot ab können!»

  • Hallo Klaus,


    Danke für Deinen Beitrag. Genauso wollte ich meinen Beitrag sehen: als übersichtliche und anregende Anleitung so ein "Seestück" zu bauen.


    Viele Grüße,


    der andere Klaus ^^

    »Das muss das Boot ab können!»

  • Die letzten Ausrüstungsteile:


    Der Karavelle fehlen zwei Drehbassen, eine Strickleiter zum Mastkorb, die Kochkiste, ein paar Mannschaftsfiguen und Flaggen zur Fertigstellung.


    Die Crew kommt von Preiser (Spur Z natürlich, 1:220), die Strickleiter ist in Fadentechnik in einem Graupapperahmen geklebt.


    Hervorheben möchte ich die Kochstelle: Eine tragbare hölzerne Kiste wurde mit Backsteinen ausgemauert um darin ein Kohlenfeuer zum kochen zu entfachen. Die Kiste stand auf Holzfüßen damit sich keine Hitze auf das Holzdeck übertragen konnte. Wegen der Brandgefahr konnte die Kiste nur an Deck und dann nur bei gutem Wetter betrieben werden. Es konnte darin Fleisch am Spieß gebraten werden oder andere Speisen in Töpfen oder Grappen gekocht oder gegart werden.


     


     

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  • Da segelt sie!


    Auf Backbordbug segelt die Karavelle am Wind gen Afrika. Von den rund 20 Mann Besatzung lassen sich gerade fünf an Deck sehen: Einer klettert in den Mastkorb, zwei sind mit der Essenzubereitung beschäftigt, einer inspiziert eine Drehbasse und einer ruft dem Steuermann an der Pinne etwas zu.


    Drehbassen waren kleine Stabringkanonen welche in Gabeln auf dem Schanzkleid aufgesetzt werden konnten. Die Hinterlader waren Kammerstücke. Das heißt, dass die Treibladung in einer Kammer hinter dem geschossführenden Rohr eingekeilt wurde.


    Zunächst hatte ich zwei Drehbassen auf dem Schanzkleid des vorderen Oberdecks platziert. Als ich dort aber eine Preiserfigur aufstellte, habe ich bemerkt dass die Kanone viel zu hoch platziert war. Ich habe die beiden Kanonen dort weggenommen und achtern auf das Schanzkleid der Poop gesetzt. Ganz ideal sind die Stücke da wegen der zahlreichen auflaufenden Leinen auch nicht platziert, es schien mir aber der einzig sinnvolle Platz für Feuerwaffen zu sein.


    Zu erwähnen sind noch die kleinen Schläuche an den Speigatts. Sie waren aus Segeltuch und dienten als einfache Sicherung um das Wasser nur aus den Gatts in die See ablaufen zu lassen (und nicht umgekehrt). Diese Vorrichtung kenne ich eigentlich nur von Schiffen aus dem 16. Jahrhundert belegt. Ich kann mir aber vorstellen, dass solch eien simple Einrichtung schon früher in Gebrauch war.


    Um meinen Bericht abzuschließen, fehlt noch der finale Vergleich zwischen dem Modell von 2011 und dem neuen Werk. Ich werde mich in Kürze damit melden.


     


     


     


     


     

    »Das muss das Boot ab können!»

  • Gratulation zu dem schönen Modell! Das hast Du sehr gut in Szene gesetzt!

    Mit besten Grüßen aus Hagen

    Christoph



    "Der Mensch ist nur da in der vollen Bedeutung des Wortes Mensch wo er spielt und er spielt nur da, wo er Mensch ist."
    Friederich Schiller