Es ist der 26.05.1888 in der Columbia River Gorge, einer gut 80 km langen Schlucht, mit der Columbia River im Nordwesten der USA das Kaskadengebirge durchbricht, um sich nahe Vancouver Island in den Puget Sound und den nördlichen Pazifik zu ergießen. Gut 1500 Passagiere sind an Bord der beiden Dampfer R. R. THOMPSON und LURLINE von Portland über Vancouver nach The Cascades gefahren, um einem Spektakel beizuwohnen, dass Drama, Rekorde und (vielleicht) ein paar Tote versprach. Der Zug, in den sie dort umsteigen müssen, fasst nicht alle auf einmal und muss ein zweites Mal fahren, um alle entlang des Nordufers stromaufwärts zur Einfahrt der Stromschnellen zu bringen. Die HARVEST QUEEN ist aus Gegenrichtung von Fort Dalles flussabwärts gekommen und hat weitere Schaulustige dorthin mitgebracht, ein Sonderzug aus Bonneville weitere, alle zusammen gut und gerne 3000 Personen. Photografen haben sich am Ufer aufgebaut, Militärkapellen spielen die damaligen Top Ten der Unterhaltungsmusik, Decken werden ausgebreitet und Picknick-Körbe geöffnet.
Als alles bereit ist, gibt eine Lokomotive mit 6 lauten Pfiffen das Signal, und der 4. Flussdampfer, die HASSALO legt ab. An Bord 15 Personen, die sie in den Unterlauf des Columbia überführen sollen unter dem Kommando des berühmten Kapitän James William Troup, der in dritter Generation eine Reihe berühmter Flusskapitäne im Nordwesten fortsetzt und nun, mit gerade 33 Jahren selbst bereits Veteran und eine Berühmtheit auf dem Fluss ist. Vor ihm eine Flussenge mit Stromschnellen von ca. 10 km Länge, in deren steilstem Abschnitt der Fluss über ca. 3,2 km Länge mehr als 12 m Höhe verliert. Mittendrin eine „schiffbare“ Passage von nur 140 m Breite. Flussaufwärts ein unüberwindliches Hindernis, haben flussabwärts nur wenige der erfahrensten Kapitäne die Passage gewagt, um ihre Schiffe in den Unterlauf zu überführen. Kapitän Troup gelang dies 1881 an dieser Stelle bereits mit der IDAHO und im selben Jahr zwischen Celilo und Fort Dalles zwischen Oberlauf des Columbia und dem Middle River mit der HARVEST QUEEN über die noch gefährlicheren Stromschnellen von Celilo Falls. Die HARVEST QUEEN war dort schwer beschädigt worden und ging beinahe verloren, und auch die heutige Fahrt ist – sagen wir: ergebnisoffen.
Der Korrespondent des Sunday Oregonian schreibt (ungefähr):
„HASSALOs Schaufelrad schlug das Wasser zu Schaum und sie bewegte sich graziös vom Kai aus in die Mitte des Flusses, wo sie herumschwang. Mit dem scharfen, glitzernden Bug auf die große grollende Lücke gerichtet, schoss sie durch die grünen Massen vorwärts. Die Stromschnellen verliefen von Ufer zu Ufer wie eine einzige Kette von Brechern, deren aufgewühlte Brandung toste. Die HASSALO erreichte die obere Einfahrt mit Volldampf und erhielt hier den ersten Impuls des mächtigen Stroms, der sie einen Satz machen ließ, der die Menge wie ein Stromschlag erregte. „Da geht sie hin“ kam es mit gedämpfter Stimme aus tausend Kehlen. Beim der Einfahrt stieg der Bug des Dampfers in scharfem Winkel auf und fiel dann blindlings nach unten, als ob sie direkt unterginge; aber mit dem Auftrieb eines Korkens richtete sie sich wieder auf und nun, ganz der Gnade der Stromschnellen ausgeliefert, flog sie mit der Geschwindigkeit eines Pfeils durch und über das wogende, kochende Wasser…“
Wer schreibt heute noch solche Texte?
Nun, es gelang, und die Beschreibung „pfeilschnell“ war weit weniger bildhaft, als man erwartet: die HASSALO durchquerte die gesamten Stromschnellen in gerade 7 Minuten. Die gestoppte Geschwindigkeit betrug damit mindestens 85 km/h. Kapitän Troup führte sie den Columbia weiter hinab und dann den Willamette hinauf bis Portland, von wo aus sie nach geringfügigen Reparaturen für 4 Jahre im Puget Sound eingesetzt wurde, bevor sie 1892 auf den Columbia zurückkehrte, zu einem Schleppdampfer umgebaut und 1898 abgebrochen wurde.
Dies wird nicht das Modell der HASSALO. Dies wird ein Modell der R. R. THOMPSON.
Photos sind übrigens alle gemeinfrei...