Fahrgastschiff ITALIA/ 1:500/ Versuch einer Rekonstruktion

  • Hallo Modellbaufreunde !


    Mit meinem nächsten Modell will ich wieder tief in meinen Kindheitserinnerungen graben. Ich mag 7 oder 8 Jahre alt gewesen sein, als ich ein superlatives Schiffserlebnis hatte. Mein Vater hatte einen Vetter in Kolmar an der Elbe. Den besuchten wir eines Sonntags. Vorher hat er uns schon am Telefon mitgeteilt, dass wir unbedingt zu einer bestimmten Uhrzeit kommen sollten, weil dann die ITALIA zu sehen sein würde. Die ITALIA war anfangs der 50-er Jahre mit 21.000 BRT dass größte Schiff, das deutsche Häfen anlief. Später habe ich sie noch zweimal in Cuxhaven gesehen und deshalb gut in Erinnerung. 21.000 BRT, das ist heute die Größe von Feeder-Schiffen. Passagierschiffe und Containerschiffe sind beim Faktor 10 angekommen.


    Die ITALIA wurde 1928 bei Blohm&Voss als KUNGSHOLM für die Svenska Amerika Linjen gebaut und befuhr bis 1939 die Route Göteborg - New York. Im 2.Weltkrieg wurde sie an die USA verkauft und diente als Truppentransporter JOHN ERICSSON. 1947 kaufte die SAL das Schiff nach einem schweren Brandschaden zurück, ließ es aber nicht reparieren, sondern verkaufte es an die Home Lines aus Panama. Diese ließ das Schiff instand setzen und stellte es 1948 als ITALIA in Dienst. Von 1952 bis 1959 charterte die HAPAG die ITALIA und setzte sie auf der Route Hamburg /Cuxhaven - New York ein. Nach weiteren Einsätzen auch als Kreuzfahrtschiff durch die Home lines und als Hotelschiff wurde die ITALIA 1965 abgewrackt.


    Quelle: Cuxpedia


    Nach meiner Bitte um Unterstützung in diesem Forum sind mir ein paar weitere Fotos zugespielt worden. Der Plan von der KUNGSHOLM von Digipeer, auf den Nils mich aufmerksam gemacht hatte, ist leider schlecht aufgelöst. Ich habe mir deshalb den amerikanischen Plan von worthpoint gekauft. Er hat einen krummen Maßstab, etwas größer als 1:500. Für mein Modell habe ich mich nicht nur aus Platzgründen für den Maßstab 1:500 entschieden, sondern auch, weil mir Detailfotos fehlen. Bei den Ventilatoren und bei den Lüftern werde ich wohl zurückgreifen auf einen Zeitgenossen der ITALIA - die MONTE ROSA wurde auf derselben Werft zwei Jahre später gebaut. Es wird also kein originalgetreues Modell, sondern ein Rekonstruktionsversuch.


    Ich hoffe, dass euch mein Bericht interessiert, auch wenn ich anscheinend der einzige bin, der die ITALIA noch persönlich erlebt hat.


    Henning


    Ein Anfang ist gemacht.


  • Hallo Henning,


    da habe ich zumindestens ein interessantes Bild von der Svenska Amerika Linjen beizusteuern, welches ich in Schweden abfotografiert habe. Darauf ist noch eines der bekanntesten Schiffe des NDL nach dem Krieg, die Berlin noch als Gripsholm. Leider hatte ich wohl nicht gemerkt, dass ich die Kungsholm nicht einzeln fotografiert habe, der Gang war sehr eng und dunkel.



    Gruß pianisto

  • Hallo Dirk !


    Es ist schon erstaunlich, dass die ersten deutschen transatlantischen Gehversuche mit schwedischen Schiffen unternommen wurden,

    zuerst mit der ITALIA (ex KUNGSHOLM), dann mit der BERLIN (ex GRIPSHOLM) und schließlich mit der EUROPA (auch wieder ex KUNGSHOLM).

  • Der Plan von der KUNGSHOLM von Digipeer, auf den Nils mich aufmerksam gemacht hatte, ist leider schlecht aufgelöst.

    Moin Henning,


    Das verstehe ich nicht:


    Man muss die Digipeer-Pläne vor dem Download in der Ansicht auf 1:1 skalieren, dann den Bildschirminhalt kopieren und anschließend die Einzelbilder zusammenfügen.

    Somit erhält man eine Vorlage, die m.E. sogar für 1:100-Modelle geeignet wäre.

    Der umfangreiche Umbau der Kungsholm zur Italia bezog sich meines Wissens hauptsächlich auf die Modernisierung der Innereien.


    Hier ein Beispiel aus meinen Digipeer Downloads. Es würde mich wundern, wenn der worthpoint Plan detaillierter ist.



    Zum Maßstab: US-amerikanische Pläne basieren im Maßstab im Gegensatz zu "unseren" nicht auf dem metrischen System, sondern auf dem Zoll-zu-Fuß-Verhältnis:
    Da ein Fuß zwölf Zoll hat, ergeben sich folgende, für uns "krumme" Maßstäbe:
    1" = 1' : M.=1:12

    1" = 2' : M.=1:24

    1" = 4' : M.=1:48

    1" = 8' : M.=1:96

    1" = 16' : M.=1:192

    1" = 32' : M.=1:384

    1" = 40' : M.=1:480

    1" = 48' : M.=1:576


    Ich freue mich auf das Projekt, so oder so. Ich habe übrigens die Italia 1957 oder -58 am Steubenhöft gesehen, aber leider kein Foto. Aus dem örtlichen Reisebüro in Stade hatte ich seinerzeit auch fleißig Postkarten der Italia, Europa, Hanseatic etc. gesammelt, die leider allesamt verschollen sind.


    Beste Grüße,


    Manfred

    Es muss nicht alles perfekt sein, was gut tut.

  • Manfred, darauf bin ich nicht gekommen, obwohl ich oft mit Screen-shots arbeite, z.B. wenn ich Fotos aus Videos herausschneide.


    Heute habe ich mich mit dem Bau und der Ausrüstung von Decks befasst, Ausrüstung, soweit es erforderlich war, um das nächste Deck aufzusetzen. Ich bin dabei bis zum Bootsdeck vorgestoßen. Morgen geht es an die Bordwände.


       



      

  • Heute habe ich die Stb.-Bordwand angebracht- ein großer Schritt in Richtung Schiffswerdung. Sie ist vorn in zwei, achtern in drei Streifen aufgelöst. Ich habe sie zeichnerisch abgewickelt. Der chlorophyll-farbene Verstärkungskarton des Spantgerüstes ist auch nicht mehr zu sehen.


       

  • Sieht schon sehr, sehr vielversprechend und stimmig aus, Henning!

    Fertig: MS WILHELM GUSTLOFF, 1:250



    Aufwachen - es ist 5 vor 33...

  • Moin Henning,


    die schönen Linien kommen im Modell sehr gut zur Geltung!

    Schockvideos: Pinguine verspeisen den selben Eisbären gleich zweimal 8o Nur für starke Nerven hier und hier!


    Viele Grüße, Nils

  • Brücke und Schornsteine sind noch nicht drauf, aber die zweite Bordwand, die Aufbaufronten, die Deckskanten und zwei weitere Aufbauten.



    Das Deckshaus achtern beeinhaltet das Bordhospital. Ich vermute, dass man aus Quarantänegründen solch einen exponierten Standort für das Hospital gewählt hat.



    Ob der Aufbau auf dem Bootsdeck wirklich gelb war, dafür leg ich meine Hand nicht ins Feuer. Aber das einzige Farbfoto von diesem Bereich sagt gelb. Ich kann aber nicht sagen, von welchem Bauzustand dieses Foto geschossen wurde.


  • Moin Henning,


    zwei animierte Fotofilme gibt es hier:


    und hier:


    Einige Fotos bestätigen die gelben Aufbauten auf dem Bootsdeck. Das gleiche Gelb wie Masten, Schornsteine, Lüfter etc.


    Ein weiterer Film zeigt die Kungsholm, vermutlich während des Krieges mit der schwedischen Neutralitätsbemalung aufgenommen, mit jenen Aufbauten in Weiß.

    Siehe hier:


    Ich hoffe, es hilft.


    Beste Grüße,


    Manfred

    Es muss nicht alles perfekt sein, was gut tut.

  • Heute sind die Brücke und die beiden Schornsteine an Deck gekommen. Und Hajo hat Recht, aufmmal hat das Modell seinen Charakter.


       

  • Moin, moin Henning,


    ja, sieht richtig gut aus :thumbup:!


    Allein durch das althergebrachte "Dampferheck" erschien die KUNGSHOLM (ITALIA) zu ihrer Zeit etwas antiquiert, was sie ja durchaus nicht war.

    Bei Blohm&Voss erhielt sie die Bau-Nr. 477.....die Bau-Nr. 476 davor war die CAP ARCONA, die Bau-Nr. 478 danach war die MONTE CERVANTES und dann kam mit der Bau-Nr. 479 schon die EUROPA und alle drei Schiffe hatten schon "moderne" Heckkonstruktionen. Aber mir gefällt die alte Heckform sehr......


    Gruß

    HaJo

    Exercitatio artem parat!

  • Hajo, viel Dank für deine sehr interessante Reihenfolge der Hellingsbelegung bei Blohm&Voss.


    Heute habe ich angefangen, das Backdeck auszurüsten. An Bord gekommen sind Lukendeckel, Niedergangshaus, Wellenbrecher, Poller, Königsroller, Verholwinschen und Ladepfosten. Ankerwinde, Ladewinden, Niedergänge, Ladebäume und Anker fehlen noch.


       

  • Bis auf die Takelung der Ladebäume und eine große Leinentrommel ist das Backdeck jetzt fertig. Die Ankerwinde und die Ladewinden sind vereinfachte Versionen von den entsprechenden Teilen der MONTE ROSA. Auf dem darüber liegenden B-Deck habe ich auch schon ein paar Teile untergebracht.


       

  • Diese ollen Passagierschiffe sind etwas zum Austoben für Freunde des Rettungsboots- und des Lüfterbaus. Da ich nicht bis vier, sondern nur bis zwei zählen kann, fehlt noch die zweite Etage der vorderen Rettungsbootstationen. Aus Selbsüberschätzung habe ich die ersten kleinen Lüfter noch versucht, aus Karton zu bauen, habe dann aber -wie bereits bei der TITANIC- umgestellt auf ca. 1,5mm starke, lackierte Kabelisolierungen, die man sehr schön mit der Rasierklinge zurecht schneiden kann.


       



    Auf dem achteren C-Deck fehlten nur die Bänke und die Reling.


  • Weil ich heute nichts zu zeichnen brauchte, habe ich viel geschafft. Bis auf den Mast und die Ladebäume sind die achteren Decks fertig.


       


    und auch noch mal eine Gesamtansicht


  • Hallo Henning,

    bekommen bei diesem Maßstab die Masten auch ein verstärkendes "Innenleben"?

    Ulrich

                                                                                   Artikel 1 GG:

    Die Würde des Menschen ist unantastbar.

    Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt



  • Ich habe heute damit angefangen, die Orgie von Lüftungsanlagen auf dem Brückendeck nachzubauen. Wie schon gesagt, gibt es in diesem Bereich die größten Informationslücken. Der Generalplan mit Seitenansicht und Draufsicht reicht nicht aus, weil die Teile sich in der Seitenansicht gegenseitig verdecken und weil ich zu wenig verwendbare Detailfotos habe. Es kommt hinzu, dass die ITALIA sich in diesem Bereich doch deutlich von der KUNGSHOLM unterscheidet.


       

  • Das Brückendeck habe ich jetzt fertig ausgerüstet. Bei dem, was folgt, muss ich tief durchatmen: 24 Rettungsboote samt Davits und Bootslager.


       

  • Eine Konstruktion, die ich noch nie so gesehen habe, sind die Bootswinden. Sie hängen an der Oberkante der Aufbauwand des Bootsdecks.


  • Wenn man so viele Boote zu bauen hat, sollte man sich genau überlegen, welchen Aufwand man treibt. Ich habe für 6 Boote nur eine halbe Stunde gebraucht. Erst einmal besteht das Boot nur aus zwei Teilen, Rumpf und Persenning. Bei den beiden Rumpfhälften habe ich nur die vier Enden an den Steven vorgerundet und diese dann mit Bindan (ohne Lasche) zusammengeklebt, darüber die Persenning geklebt und solange befummelt, bis Rumpf und Persenning zusammenpassten.


       

  • Moin Henning,


    das nennt man Effizienz - Die Boote machen bei anscheinend wenig Aufwand einen sehr guten Eindruck.


    Zwei Fragen habe ich zum Bindan: Welchen Leim hast Du genau genommen? Ich finde auf der Seite von Bindulin mehrere. Und: Was sind die Eigenschaften dieses Leims, gerne im Vergleich zu Weißleim und UHU?

    Schockvideos: Pinguine verspeisen den selben Eisbären gleich zweimal 8o Nur für starke Nerven hier und hier!


    Viele Grüße, Nils

  • Ich habe Bindan RS (Express-Holzleim) benutzt. Das Zeug zieht sehr schnell an und eignet sich deshalb an Klebstellen, die gerne auseinanderstreben.

  • ... kann es nur bestätigen - Bindulin ist im Moment mein Favorit als Leimlieferant - einwandfreies Sortiment und kostenfreie Lieferung ...

  • Die Bootsstationen an Stb. sind jetzt auch fertig. Damit sind 34 Boote an Bord. Eigentlich fehlt nicht mehr viel - die Anker, die Masten, die Takelung, die Flaggenstöcke und die Flaggen.


          

  • Moin,

    Thema Bindulin Express-Holzleim: was Ihr da an positiven Dingen berichtet habt, dem kann ich nur beipflichten! das Zeug klebt manchmal für mich ZU schnell, z.B. manchmal bei LasercutRelings, dann nehme ich "normalen" Kartonleim.

    Im gelben Forum wollte man übrigens von Bindulin nichts wissen - wer nicht will, der hat schon.

    Henning: toller Dampfer!!!!

    Gruß

    Ralph

  • Hallo Modellbaufreunde !


    Jetzt ist meine ITALIA fertig ! Ich glaube, es ist nicht unbedingt ein Allerweltsmodell, nicht nur weil ich es selbst gezeichnet habe. Gegenüber den Wilhelmshavener Schnellbaubögen, die ja auch im Maßstab 1:500 gehalten sind, habe ich in der Detaillierung eine ordentliche Schippe draufgelegt. Das ist, wie Manfred schon mit der UNITED STATES gezeigt hat, manchmal mühevoll, vor allem in der Wiederholung, aber durchaus möglich. Der Detailfreak wird natürlich vieles vermissen, z.B. filigranere Winden oder exakte Verzurrung der Boote, aber ich finde, dass sich dieses Modell in diesem kleinen Maßstab durchaus sehen lassen kann.


    Ich bedanke mich für eure Aufmerksamkeit und euren Zuspruch, obwohl das Original kaum jemand persönlich bekannt ist.


    Henning