Moin zusammen,
nachdem die NORDFRIESLAND fertig ausgerüstet in der Vitrine steht, die Bastelecke aufgeräumt ist und die „Helling“ leer auf die nächste Kandidatin wartet, stellt man sich die Frage: Und wer wird es? Naja, HaJo hatte ja schon eine ganz gute Idee…
Als ich von Arne kurz vor Weihnachten 2019 den Seeamtsbericht über den Brand auf der HANSEATIC im Jahre 1966 in New York zugeschickt bekam, erinnerte ich mich daran, dass ich den Modellbaubogen für die „Schöne Hamburgerin“, wie sie seinerzeit genannt wurde, schon vor vielen Jahren, genauer gesagt Weihnachten 2009, mal von meinem Filius geschenkt bekommen hatte. Hm, den anschneiden? Warum eigentlich nicht… Dauert zwar auch wieder etwas länger, aber das ist man bei mir ja schon gewohnt. Und ebenfalls von mir gewohnt ist man, dass es zu Beginn eines Bauberichtes die eine oder andere Hintergrundgeschichte gibt… Also, bloß keine Neuerungen…
Wie schon seinerzeit im Baubericht über die HAMBURG geschildert, zogen meine Eltern und ich Anfang der 60er Jahre nach Neugraben im Süden Hamburgs. Das Haus, in dem wir in der obersten Etage wohnten, lag ein paar Meter den Geesthang hinauf an der Cuxhavener Straße. Und weil wir in der obersten Etage wohnten, hatte man vom Küchenfenster aus einen wundervollen Blick über die Elbmarsch; die Großsiedlung Neuwiedenthal war damals noch nicht fertiggestellt, sondern erst im Entstehen. Der Blick reichte also recht ungehindert bis zum anderen Elbufer mit Blankenese und Teufelsbrück. Die Kräne sowie die Kabelkrananlage der Deutschen Werft auf Finkenwerder waren auch in unserem Blickfeld. Und an einigen Tagen im Winter lugten dort die zwei markanten roten Schornsteine der HANSEATIC hervor, wenn das Schiff seine alljährliche Werftliegezeit absolvierte.
Das Schiff lief im Jahre 1931 als EMPRESS OF JAPAN in Glasgow von Stapel. Gebaut wurde es für die Reederei Canadian Pacific, die es im Pazifik zwischen Kanada und dem Fernen Osten einsetzte. Das Schiff war 205 m lang, 25,5 m breit und hatte einen maximalen Tiefgang von 13,8 m. Es war mit 30.030 BRT vermessen. Angetrieben wurde es von einer Dampfturbinenanlage mit einer Leistung von 31.400 PS, die dem Schiff eine Geschwindigkeit von 22 kn verlieh.
Mit Beginn des 2. Weltkrieges wurde das Schiff als Truppentransporter eingesetzt und nach Eintritt Japans in den Krieg in EMPRESS OF SCOTLAND umbenannt. Nach Kriegsende wurde das Schiff auf dem Nordatlantik eingesetzt.
Im Jahre 1958 erwarb die neu gegründete Hamburg-Atlantik Linie das Schiff, die es für die Überführungsfahrt nach Hamburg in SCOTLAND umbenennen ließ. Bei den Howaldtswerken Hamburg wurde das Schiff umgebaut und grundlegend modernisiert. Aufgrund des etwas herunter gekommenen Äußeren und weil beim Umbau jede Menge Altmetall anfiel, trug es bei den Werftarbeitern den Spitznamen SCHROTTLAND…
Am 2. Juli 1958 ging das in HANSEATIC umbenannte Schiff auf seine erste Reise unter der neuen Flagge und wurde so zu einem festen Bestandteil der wieder auflebenden Schifffahrt Hamburgs. Für jemanden, der in den 50er und 60er Jahren in Hamburg aufwächst, ist die HANSEATIC der Hamburg-Atlantik Linie der Inbegriff der Passagierschifffahrt. BERLIN und BREMEN tauchten auf der Elbe nicht auf, spielten insofern nur als Wilhelmshavener Modelle eine Rolle.
Neben gelegentlichen Transatlantikreisen, die aber der Konkurrenz in der Luft wegen immer seltener wurden, machte die HANSEATIC jede Menge Kreuzfahrten sowohl für den nordamerikanischen als auch für den europäischen Markt.
Am 7. September 1966 brach im Hafen von New York auf der HANSEATIC ein Feuer im Dieselgeneratoren-Raum aus, wodurch die gesamte Dieselgeneratoren-Anlage zerstört wurde, was einen kompletten Ausfall der Maschinenanlage zur Folge hatte. Weil der Brand auch Ventilatorenschächte erfasste, wurden deren Schotts dermaßen erhitzt, dass die Holzverschalungen der benachbarten Räume zum Schwelen oder Brennen gebracht wurden. Besonders betroffen waren der Speisesaal A und das Café Helgoland. Die New Yorker Hafenfeuerwehr brauchte zehn Stunden, um den Brand unter Kontrolle zu bringen. Im Anschluss ließ die Reederei das Schiff von den Schleppern PACIFIC und ATLANTIC der Bugsier-Reederei nach Hamburg schleppen, wo die Bevölkerung das Schiff beim Einlaufen mit großer Anteilnahme begrüßte. Eine Untersuchung ergab, dass das Schiff äußerlich so gut wie gar nicht, in der Maschinenanlage jedoch so schwer beschädigt war, dass man sich zum Abwracken entschied.
Im August 1966 hatten wir unseren ersten Fernseher bekommen und damit kam ich auch in den Genuss der Reportage über die Rückkehr des beschädigten Schiffes mit Schlepperhilfe nach Hamburg. Wie schon gesagt, schien das Schiff von außen betrachtet völlig unbeschädigt zu sein und so war es für viele Hamburger damals ein Schock, als die Reederei den - wirtschaftlich sinnvollen - Entschluss fasste, das Schiff abwracken zu lassen.
Die Erinnerung an die HANSEATIC ist somit ganz eindeutig Teil meiner Kindheit. Insofern war ich natürlich hellauf begeistert, als das Modell 2008 beim HMV im Hause der Scheuer & Strüver GmbH erschien. Wie eingangs erwähnt, bekam ich den Bogen schon kurz nach dem Erscheinen von meiner Familie zum Geburtstag oder zu Weihnachten geschenkt. Bislang hatte ich mich allerdings nicht getraut, das Modell anzugehen. Nachdem ich jedoch die nicht ganz einfache „Nachfolgerin“ HAMBURG überraschend gut gemeistert habe (ich staune immer noch) und sich außerdem noch der erforderliche Platz gefunden hat - neben der HAMBURG kann ich sie der unterschiedlichen Rottöne der Schornsteine wegen definitiv nicht unterbringen -, werde ich es nun doch endlich wagen, den Bogen anzuschneiden. Wohl wissend, dass mich auch hier wieder ein paar „piet-typische Überraschungen“ (die damit ja keine mehr sind ) erwarten werden. U.a. haben mehrere Rettungsboote die gleiche Nummer, Markierungen passen nicht zusammen, das übliche Programm eben…
Derzeit bin ich mir allerdings noch nicht ganz im Klaren darüber, ob ich Bulleyes und Fenster verglasen werde. Da ist ja SO viel Glas verbaut! (Ich liebe moderne Marinefahrzeuge…) Aber die Textur der Glasflächen ist relativ hell und seit den dunklen Fenstern der HAMBURG bin ich da ein wenig verwöhnt, was das anbelangt… Andererseits wird sie - wie erwähnt - nicht neben der HAMBURG liegen… Mal sehen…
Zum Glück habe ich auch den Fotoätzsatz zu dem Modell, der eindeutig filigranere Relings bietet, als entsprechende LC-Sätze (Bild 2). Allerdings weiß ich noch nicht sicher, wie die Schornsteine aussehen werden: Weil es immer wieder zu Belästigungen der Passagiere durch „Heizerflöhe“ kam, wurden die Abgasrohre verlängert, um das Absinken der Rußpartikel zu verzögern, sodass sie nicht an Bord sondern nach Möglichkeit im Kielwasser landeten. Weil nun diese langen Rohre für sich alleine ziemlich unschön ausgesehen hätten, dachte man sich eine Gitterkonstruktion aus, die auch aus dem Ätzsatz baubar ist (Bild 3). Ob auch für mich, wird sich zeigen.
Werner hat seinerzeit in seinem Baubericht auf die eine oder andere Stolperstelle hingewiesen, mal sehen, wie ich den Bau so meistere.
Auch bei diesem Bausatz sind die einzelnen Bögen wieder mit einer „Buchbindung“ zusammengeleimt, wie ich es schon bei der HAMBURG erlebt habe. Um die benötigten Bauteile gefahrlos ausschneiden zu können, werde ich also auch hier den „Buchrücken“ gnadenlos abtrennen - und zwar gleich von Anfang an - und mit einer „Loseblattsammlung“ arbeiten. Dabei hat man dann wahrscheinlich ein wenig Mühe, den Überblick zu behalten, denn Piet hat die zur Verfügung stehende Kartonfläche optimal ausgenutzt und dementsprechend kleinere Bauteile gnadenlos über sämtliche Bögen verteilt! Übersichtlichkeit sieht anders aus, aber eine ähnliche Situation habe ich schon bei dem Schwimmdock von Piet erlebt…
Also, gehen wir’s an. Die Kiellegung würdigen wir mit einem passenden Getränk aus einem auch von genau diesem Schiff stammenden Glas…
Beste Grüße aus dem halbhohen Norden und einen guten Start in die Woche
Fiete