Tiefziehen von Klarsichtkanzeln

  • Tiefziehen von Kunststoffkanzeln


    Wenn ich mich recht entsinne, stammt die folgende Idee aus einem Buch für RC-Modellbauer, das ich einmal gelesen habe, also nur in Details von mir.


    Ich finde, dieser Weg ist recht einfach, nicht allzu teuer und hat bei mir schon einige Male gut funktioniert.
    Zwei Formen sind notwendig: Eine Positivform, die ich mit der Drechselbank gemacht habe, die genauso geformt ist, wie das spätere Klarsichtteil, und eine Negativform, eigentlich nur ein Stück Sperrholz mit einem "Loch" in der Mitte.
    Die Öffnung sollte dem größten Durchmesser (=d) der Postitivform PLUS Materialstärke der Folie entsprechen. Auch sie habe ich gedrechselt, das geht schnell und präzise.
    Die eine Seite der Öffnung erhält eine leichte Rundung (240er Schleifpapier), damit sie beim Heißverformen der Folie nicht klemmt. Damit das alles gut rutscht, habe ich die Holzteile fein geschliffen und mit Paraffin (Kerzenwachs) eingerieben.

  • So, vorrausgesetzt, die beiden Formen liegen vor:


    Gut geeignete Klarsichtfolie erhält man im Schreibwarenbedarf: Da gibt es so billige Plastikhefter, Unterseite farbiger Kunststoff, Oberseite glasklare Folie, und zudem nicht zu dünn.
    Beim Verformen wird die Folie nämlich dünner, die Fläche wird ja schließlich größer. Deshalb reißt Overheadfolie meist.
    Ich habe die Feststellung gemacht, daß bei ganz tiefen Formen richtig dickes Material nötig ist: So habe ich die hintere MG-Kanzel der "UHU" aus ca. 2mm dickem Material gemacht: Der Deckel von so einer Klarsichtmagazinschublade, genauer: 2, da waren einige Fehlversuche dabei.


    Der eigentliche Verformungsvorgang:


    Negativform mit der "Rundung" (s.o.) nach oben in den Schraubstock spannen oder sonstwie sicher mit Freiraum nach unten befestigen, zugeschnittene (mit Übermaß) Folie drauflegen, mit dem Heißluftfön bepusten, bis die Folie sich wellt. Also nicht zu lange, sonst bilden sich Löcher oder sie brennt gar (mir fällt gerade ein: Als Gleitmittel müßte auch Kreidestaub funktionieren, ist anders als Wachs nicht so leicht brennbar). Dann zügig die Postitivform bis zum Anschlag hineindrücken, einen Moment halten, fertig.
    Wahrscheinlich sind einige Versuche nötig, bis man sowohl Temperatur als auch das Hineindrücken ideal aufeinander abgestimmt sind.


    Mehrere machen, die besten aussuchen, anfangs hatte ich ganz schön Ausschuß.


    Noch ein Tipp: Stoffhandschuhe tragen! Je nachdem wie groß man die Formen macht, werden die Finger schön schnell heiß, und nicht jeder Schrei ist ein Freudenjauchzer.

  • So, wenn alles geklappt hat, liegen da jetzt einige hübsche, gerundete Klarsichtteile (und jede Menge Klarsichtmüll). Der überstehende Rand ist gewellt, da ohne Vacuum gearbeitet, aber das stört ja nicht, da er ohnehin abgeschnitten wird, am besten geht das mit einer kleinen Schrere.


    Da mir klar ist, daß nich jeder von euch eine Drechselbank zur Verfügung hat und man auf der Drechselbank eh nur runde Teile fertigen kann, habe ich mir auch noch Gedanken gemacht, wie auch Schablonen (das ist ja das eigentliche Problem) für anders geformte Teile enstehen können: Als Vorschlag, probiert habe ich das nämlich noch nicht.

  • VORSCHLAG


    Die Kanzelteile werden zuerst 1:1 abkopiert, auf festen Karton aufgezogen, ausgeschnitten (Scheiben bleiben drin!) und wie üblich zusammengeklebt. Am besten noch von innen verstärken, mit Pappstückchen, zerrupften Papiertaschentüchern + Leim, egal was, das Ding muß STABIL werden.


    Wenn es ganz, ganz trocken ist: Einölen (Gang in die Küche) und in einen Block aus Knetgummi (Gang ins Kinderzimmer) einbetten, der auf einem Sperrholzrest steht.
    Sollte das Knetgummi zu hart sein: Mit dem Fön (Gang ins Badezimmer) aufwärmen. Im Gegenzug macht der Aufenthalt im Kühlschrank das Gummi wieder härter!


    Oberseite des Blocks mit dem Stahllineal abziehen, Papierkanzel entnehmen.

  • Mit einem Spatel oder dergleichen unschöne Stellen glätten (evtl. vorher kaltstellen, so macht man nicht so leicht Macken rein).
    Überprüfen, ob der Block "im Wasser" ist, kleine Wasserwaage ist ideal dafür.
    Nach geeigneter Sicherung des Arbeitsplatzes die so entstandene Gießform leicht ölen, dann mit Modelliergips (normaler reißt bei größeren Stücken) ausgießen, aushärten lassen. Geduld!!!!

  • Um die Negativform zu erstellen, mit einem Bleistift den Umriß der Grundfläche auf ein passendes Stück Sperrholz übertragen. Mit einem etwas dickeren Bleistift kann man der Tatsache Rechnung tragen, daß in der Öffnung ja noch Platz für die Folie bleiben muß.


    Den Gipsabdruck mit Leim auf ein weiteres Stück Sperrholz geklebt ergibt die Positivform, gleitfähig machen, siehe weiter oben.

  • Die Negativform wird dann noch mit der Laubsäge ausgesägt (senkrecht sägen!), fein geschliffen, Rundung dran, einschmieren...viel Erfolg!


    Noch ein Tipp: Das Sperrholz sollte nicht zu dick sein, aber sich nicht durchbiegen lassen, da das Verformen doch etwas Kraft erfordert. Platinenmaterial (Elektronikbedarf, sog. Pertinax) eignet sich auch gut, ist aber schwieriger zu bearbeiten.
    Von Metall rate ich ab: Die Wärmeleitfähigkeit ist einfach zu gut, Aua.


    Ich hoffe, ich konnte dem einen oder anderen Helfen oder eine Anregung bieten.
    Wenn ich meine Werkstatt wieder komplett eingeräumt und betriebsfertig gemacht habe, kann ich sicher auch einmal PRAKTISCH helfen, Drechseleisen i.d. Hand. Sendet einfach eine PN.


    Mit Grüßen,


    Altpapier

  • Moin Uwe!


    Ich gebe zu, das ist eine Ungenauigkeit, die allerdings vermutlich nicht allzu stark ins Gewicht fällt, da das fertige Bauteil ja wirklich sehr dünn ist. Ich denke, die Folie dürfte nach dem Tiefziehen weniger als 1/4mm dick sein.
    Ich habe jedenfalls die Original-"Fensterrahmen" immer noch über diese selbst gezogenen Teile bekommen.
    Diese Bruchteile von Millimetern ignoriere ich bei meinen Modellen einfach, das kann nämlich von uns eh keiner sehen.


    Wenn ich mir meine Modelle ansehe, gefallen mir meistens jene am besten, bei den der Gesamteindruck stimmt. Kleine Mängel ingnoriere ich vermutlich...


    Außerdem sollte der Aufwand vertretbar sein: Die komplette Tiefziehaktion für die "UHU" hat mich einen Sonntagnachmittag (ca.3h) gekostet, was gerade noch so angeht, da man diese Teile meist nur ein einziges Mal braucht: Wer baut schon mehrere Versionen eines Modelltyps?


    Grüße,


    Altpapier


    (ich suche Dir die Teile, ist versprochen, kann aber noch etwas dauern!)

  • Hallo!


    Was soll ich da sagen - einfach genial und super.[Blocked Image: http://coolsmiley.de/smileys/coolsmiley.de.01.05.0023.gif]


    Da hast du dir eine ganz schöne Arbeit angetan mit der Beschreibung - und das alles für uns :D.
    Dieses Forum ist einfach spitzenmäßig - das stelle ich von Tag zu Tag wieder auf's Neue fest.


    Ein ganz dickes LOB und DANKE!


    Gruß
    Malo

  • Hallo Altpapier,


    kann mich nur meinen Vorschreibern anschließen.


    Sehr Informativ dieser Bericht.


    Gruß Ernst


    PS:
    Dolmetscher frisch ans Werk Übersetze das BITTE für unsere Polnischen Modellbaukollegen

  • Wow, superklasse!


    da habe ich vorhin exakt nach diesen Dingen gefragt, und 30min später finde ich deine Anleitung, wie man das macht. Jajaja, nächstes Mal werde ich erst das gesamte Forum durchwühlen, vermutlich steht die Anwort auf meine blöden Fragen schon irgendwo.



    Falcone

  • Hallo Freunde!


    Die beschriebene Methode funktioniert recht gut, habe ich selbst schon öfters verwendet. Nur spare ich mir den Schritt mit dem Plastilin und Gips, sondern verwende gleich die Kartonkanzel und gieße sie mit Gips od. ähnl. aus. Muß vorher nur mit Klarlack und Superkleber abgedichtet und gehärtet werden.


    Servus vom


    Josef

  • @ Jo ...
    nimmst du dann den Karton ab und ziehst die Folie über den Gips ? Wird der Gips dann auch noch lackiert ? Bleiben da keine Reste in der Folie hängen ? Oder Karton drüber lassen ? Nur wird das schön rund ? Und stimmen hinterher die Maße noch ? Wie dick ist die optimale Folie ? Und wie lange dauert es vom giessen bis zur fertigen Kanzel ?
    Ich hoffe, das waren nicht zuviele Fragen ... :rolleyes:
    Danke schon mal für die Antworten ...
    Gruss
    HarryBo

  • Hi, HarryBo!


    Also, schön der Reihe nach.


    Als Basis für die Kartonkanzel nehme ich den, bei den meisten Modellen vorhandenen Teil für die inneren Verstrebungen; der hat dann auch gleich die richtige Größe (alternativ wird der Außenteil um eine Spur kleiner ausgedruckt ~ 95 - 98%).


    Nach dem verkleben der Kanzel und einem Probesitzen mit eventueller Anpassung wird das Papier außen mit Superkleber (sehr dünnflüssig) getränkt. Anschließend kann verschliffen werden; durch die Härtung mit Superkleber kann das Papier auf Hochglanz gebracht werden (mit 1000er Schleifpapier)!!! Die gehärtete Papierschicht bildet die Unterlage zum Tiefziehen.


    Innen wird die Kanzel mit einer dicken Schicht Klarlack abgedichtet und nach dem Trocknen mit Gips od. ähnl. Vergußmassen ausgegossen. Am besten einen kleinen Halter mit eingießen, der die Kanzel dann z.B. in einen Schraubstock einspannbar macht.


    Zum Tiefziehen verwende ich Folie mit 0,25 mm (davon habe ich mir einmal eine ganze Rolle mit 100m gekauft, die reicht noch für die nächsten 3 Generationen). Je dünner die Folie ist, desto leichter ist das ziehen und desto durchsichtiger wird das Ganze.


    Der Zeitaufwand für eine Kanzel vom Kartonteil bis zum fertigen Häubchen liegt so bei ca. 2 h (abhähgig von der Trockenzeit des Gießmasse).


    Bei Kanzeln mit vielen Verstrebungen kann man auch in Etappen ziehen und die Nahtstellen dann unter die Verstrebungen legen.


    Die Kanzel bei diesem Flugzeug ( GPM, Nr. 173, Bristol Blenheim, 1:33 ) entstand nach dieser Methode. Damals habe ich allerdings Wachs zum ausgießen verwendet. Da das Wachs durch die heiße Folie ein wenig flüssig wurde, waren dann noch umfangreiche Putzaktionen bei den gezogenen Teilen notwendig.


    Als Hitzequelle verwende ich ein Heißluftgebläse, da kann man beim Ziehen noch ein wenig nachheizen. Die Folie erkaltet nämlich unglaublich schnell und man muß sehr schnell arbeiten.


    Viel Spaß und gutes Gelingen wünscht


    Josef

  • Hi, Lars!


    Danke für den Link. Hier noch ein anderer Link, für alle, die sich das selber bauen der Vorrichtung nicht zutrauen.


    http://www.warmplastic.com/or.html#micro


    Servus vom


    Josef


    P.S.: In der Fernesehsendung 'Mythbusters' habe ich so eine Vorrichtung mal in Aktion gesehen. Hier wird die Erwärmung des Kunststoffs mit Wärme-(Infrarot) Lampen gemacht, die direkt oberhalb des Saugtisches angebracht sind. Der Rahmen mit dem Kunststoff sitzt hier in Führungssäulen und wird nach ausreichender Erwärmung einfach nach unten geschoben. Eine Idee, die mich fasziniert - ich glaube, da werde ich mal ein wenig experimentieren.