Ich gebe zu: Früher habe ich die weißen Schnittkanten einfach naturbelassen (da baute ich noch ausschließlich als Einzeltäter). Bei einer Modellbau-Austellung sah ich dann zum ersten Mal ein farbveredeltes Modell, damit war das künftige Ziel klar.
Es waren verschiedene Farben und Lacke, mit denen ich experimentierte:
- Lacke wie Revell oder Humbrol (Lösungsmittelhaltig)
Probleme: passender Farbton (Mischen), austrocknen (Nachmischen), leicht glänzende Oberfläche
- Acrylfarben für den Modellbau (Wasserhaltig)
Probleme: passender Farbton (Mischen), schnell austrocknend (Nachmischen), oft glänzende Oberfläche, machen bei zuviel Wasser das Papier wellig und bilden Ränder
- Filzstifte (Lösungsmittelhaltig)
Probleme: passender Farbton, dringen über Schnittkante oft zu tief ein und verändern den Farbton der Druckfarbe (Ränder), binden durch Saugfähigkeit der Schnittkante zuviel Pigmente (Farbänderung)
- Wasserfarben = Deckfarben (Wasserhaltig)
Probleme: passender Farbton (Mischen), bleichen sehr schnell aus (auch ohne viel Sonne), Farbton ändert sich bei Kleberauftrag, zuviel Wasser wirft Wellen im Papier
- Aquarell-Stifte = Farbstifte mit wasserlöslicher Farbmine
Probleme: passender Farbton (Mischen), Aufnahme vom Stift mit Pinsel, deckender Auftrag, Lichtechtheit
Meine Lösung: Gouachen (siehe Foto)
Gouachen sind Tubenfarben (z.B. die der Firma Schmincke, bei Künstlerbedarf erhältlich) mit hochwertigen, oft lichtbeständigen Pigmenten, untereinander mischbar (Hilfsmittel: Farbfächer der Firma), wasservermalbar und absolut matt nach Trocknung. Und das Schönste: man kann sich die vermutlich benötigte Farbmenge in einem Behälter oder Näpfchen anmischen und dann Monate später (bei meiner Undine 17 Monate!!) aus der ausgetrockneten Masse mit Wasser den gleichen Farbton wieder aufnehmen. Wermutstropfen: keine Metallicfarben für Flugzeugfans und auch keine Fluoreszenzfarben.
Mit relativ wenigen Grundfarben kann man entsprechend dem Farbfächer fast das ganze Spektrum abdecken. Die Tuben sind deutlich billiger als Ölfarben, reichen fast für alle Schnittkanten eines Bastellebens und trocknen nicht aus, wenn sie sauber verschlossen sind. Ich habe mir neben den Grundfarben zusätzlich noch etliche Grautöne besorgt, kalte und warme, dazu zum Abtönen neben den reinen Farben noch Mischweiß und Mischschwarz. Gemischt wird dann mit Holzzahnstochern (reichte bei bisherigen Mengen immer).
Kleine praktische Hinweise: Schnittkanten, Rückseiten usw. IMMER vor dem Verkleben einfärben, weil die meisten Klebestellen später keine Farbe mehr annehmen. Farbton eine Nuance heller anmischen, weil an Schnittkanten durch deren Saugfähigkeit zwangsläufig eine Pigmentanhäufung stattfindet, die dann etwas dunkler wirkt. Die Farbe nicht zu stark mit Wasser verdünnen und nur mit feinem Pinsel auftragen: Der Pinselstrich muß auf weißem Papier einen satten Farbstrich ergeben, der feine Pinsel erlaubt die Kontrolle der Wassermenge, die mit Papier in Berührung kommt (weniger ist hier mehr).
Und nun das Schönste:
Mit diesen angemischen Gouachen kann man auch Fotoätzteile einfärben!!! Ton in Ton, wunderbar matt!!! Und ohne löungsmittelhaltige Farbnebel aus der Spritzpistole!
Voraussetzung: Ätzteile säuberlich entfetten, EINE dünne Schicht Revell-Basic-Color (Sprühdose, Farbto weiß) bei Raumtemperatur aufsprühen (der Farbauftrag erscheint leicht pudrig wie feinstes Schmirgelpapier, keinesfalls glatt!), dann jegliche Berührung meiden wie der Teufel das Weihwasser. Diese rauhe Oberfläche verhilft der Farbe nämlich wegen der Oberflächenspannung des Wassers zu einem Film, der nach Trocknung bestehen bleibt. Das Geheimnis hier: Geduld, vielleicht mehrfach streichen, bis der Farbfilm geschlossen ist. Wegen der Feinheit der wasserlöslichen Farbe sind auch Gitter usw. kein Problem. Noch ein Vorteil: beim Biegen abplatzende Farbchips können mit noch vorhandener Farbe übermalt und somit unsichtbar repariert werden.
Aber aufpassen bei mehrfarbigen Teilen! Drüberstreichen mit einer zweiten Farbe löst die erste Farbschicht, gibt nur Murx! Also saubere Farbtrennung ist angesagt.
Besonders zu bemerken ist die Tatsache, dass angemischte Farben ruhig im Behälter austrocknen können, sie können auch nach Jahren mit einem nassen Pinsel wieder aufgenommen werde - also, Baupause kein Problem.
Als Anhang kommt nun das Foto meiner Farbfabrik, ein Beispiel für diese Technik ist das Schiff SMS Panther vom HMV-Verlag (siehe Galerie).
Auf gutes Gelingen
Papier-Tiger