Karton und Papier - mal ausgetestet

  • Hallo, Träger des Virus Cartonicus,


    Jetzt habe ich die Zeit gefunden, den Papiertest abzuschließen. Ich stelle den ersten Teil meines Tests hier noch mal rein, weil ich kleine Ergänzungen vornehmen musste, und erweitere ihn dann. Der ursprüngliche Thread kann dann gelöscht werden.


    Unser Medium ließ mich nicht ruhen, ich wollte wissen, was in ihm steckt. Folglich startete ich einen Papiertest mit in Deutschland üblichen Papier- und Klebstoffsorten.


    An den Start gingen:
    - Karton des HMV-Verlags, 170 g/m², 0,13 mm dick, satiniert
    - Karton des Wilhelmshavener Verlags, 160 g/m², 0,13 mm dick, beidseitig gestrichen
    (gibt es als Beipack zu CDs)
    - Papier Color Copy der Firma Neusiedler, 100 g/m², 0,10 mm dick, satiniert
    (gibt es auch in 120, 160, 200 und 250 g/m² in gleicher Qualität)


    Die Materialien wurden mit einem Farb- und Strichmuster mit meinem Canon S 750 bedruckt, wobei 8 Striche auf 3 mm breite untergebracht wurden (Streifenbreite 0,33 mm). Es wurde mit den Einstellungen Normalpapier und normale Qualität gedruckt und mit der Einstellung hochauflösendes Papier und hohe Qualität.


    Zwischenergebnis: Auf allen Papieren kam der Druck auf Normalpapier mit normaler Qualität erkennbar besser raus! Erklärung: Bei hoch auflösendem Papier und hoher Qualität setzt der Drucker doppelt so viel Tintentröpfchen, aber kleinere. Auf diesen Papiersorten verlaufen sie etwas, was erkennbar zu ausfasernden Linien und zu intensiveren Farben führt. Farbunterschiede waren nicht erkennbar.


    Nächster Test: Farbauftrag einer wasserlöslichen Farbe über den feinen Linien. Ergebnis: der gestrichene WHV-Karton verlor die Randschärfe, neigt also bei Feuchtigkeit zu Verwischungen.


    Nächster Test: Tränkung des Kartons mit verschiedenen Klebstoffen (gleichmäßiger Auftrag auf Vorder- und Rückseite). Ziel: Farb- und Glanzänderungen erkennen. Ergebnis:
    · UHU: gibt leichten Glanz, ungleiches Eindringen durch schnelles Antrocknen (raue, ungleiche Oberfläche), Farbe leicht intensiver
    · UHU extra: trocknet unsichtbar auf, keine Farbänderung
    · UHU Sekundenkleber: dringt in gestrichenes Papier ein, steht aber an der Oberfläche von satiniertem Papier und wirkt dann hochglänzend, macht das Papier halbtransparent, scheinbare Farbänderung durch Glanzgrad
    > Hinweis: immer frischen Sekundenkleber verwenden, blüht sonst aus (weißer Nebel) <
    · UHU Flinke Flasche: erzeugt Seidenglanz, keine Farbänderung, erzeugt leichte Welligkeit
    · WICCOLL (+ 10% Wasser): erzeugt Seidenglanz, keine Farbänderung, erzeugt starke Welligkeit, starke Gefahr von Verzerrungen
    · PONAL: dringt in gestrichenes Papier gut ein, erzeugt einen seidenmatten Glanz, steht an der Oberfläche von satiniertem Papier, wirkt dann hochglänzend, jedenfalls keine Farbänderungen außer Glanzgrad
    >> Anmerkung: UHU-Produkte sind lösungsmittelhaltig, Ponal und Wiccoll sind wasserhaltig. <<


    Nächster Test: Schneideverhalten des ungetränkten, also Normalkartons, Ziel extrem schmale Streifen. Ergebnis: Mit Schere kaum über 4 cm hinaus gleichmäßig zu schaffen (Übung?), mit Stahllineal und frischer, extrem scharfer Skalpellklinge kein Problem, wenn man nicht mit einem, sondern mit mehreren vorsichtigen Schnitten vorgeht. 10 cm Länge ist drin. Die nachfolgenden Tests gehen von Normalkarton als Vergleichsbasis aus.


    Test Schneideverhalten:
    · UHU: gleichmäßiger Schnitt schwierig durch unterschiedliche Dicke des Auftrags.
    · UHU extra: gleichmäßiger Schnitt, gute Planlage
    · UHU Sekundenkleber: sehr fest (plastikähnlich), Mehrfachschnitte zwingend
    · UHU Flinke Flasche: deutlich fester, Mehrfachschnitt sinnvoll, leichte Welligkeit zieht sich raus
    · WICCOLL: gleichmäßiger, etwas festerer Schnitt, bei gestrichenem Karton (WHV) weniger deutlich, gerade Linien wegen starker Welligkeit schwierig
    · PONAL: gleichmäßig fester Schnitt


    Test Elastizität:
    · UHU: deutlich fester, aber ungleichmäßig durch unterschiedliche Dicke des Auftrags
    · UHU extra: deutlich fester
    · UHU Sekundenkleber: ziemlich steif
    · UHU Flinke Flasche: fest-elastisch
    · WICCOLL: etwas fester
    · PONAL: deutlich fester


    Test Einfärbung der Schnittkanten: (mit Gouachen, wasserlösliche Pigmente, vergleichbar Aquarellstifte)
    · UHU: geht
    · UHU extra: geht
    · UHU Sekundenkleber: nimmt wenig Farbe an
    · UHU Flinke Flasche: geht
    · WICCOLL: geht
    · PONAL: nimmt etwas weniger Farbe an


    Vorletzter Test: Relingbau aus unbehandeltem Karton
    Von dem HMV-Karton und dem Color Copy-Papier wurden extrem dünne Streifen von 7 cm Länge mit jungfräulicher Skalpellklinge geschnitten. Achtung: Karton zerfasert, wenn man nicht mehrfach vorsichtig schneidet! Und das vorsichtige Schneiden verhindert auch das Rollen des Materials. Den Kartonstreifen verwendete ich für die Stützen, das Papier für die Züge. Leider hatte ich kein Wicoll mehr, Uhu ist hier ungeeignet, weil nicht mit Nadel platzierbar. Ich habs trotzdem gemacht, schaut Euch das Ergebnis an. Mit mehr Übung und dem geeigneten Kleber wirds garantiert besser.


    Letzter Test: Relingbau mit getränktem Karton (Color Copy 100 g/m², UHU extra)
    Der getränkte Karton wurde mit scharfer Klinge in 5 cm lange dünne Streifen geschnitten. Die Schnitte wurden mit leichter Hand mehrfach geführt, so dass die Streifen fast gerade herauskamen. Unter eine Glasscheibe wurde ein Muster-Relingstück geheftet, die Längsstreifen wurden an einer Seite angeheftet. Mit einer Nadel wurde WICCOLL aus einem größeren Vorratstropfen genommen und vorsichtig auf die Kreuzungspunkte der Reling aufgetragen, worauf anschließend sofort die senkrechten Stützen angeklebt wurden. Während der recht kurzen Abbindezeit des Klebers (ist ja nur eine Nadelspitze!) kann man die Abstände noch etwas richten. Zum Schluss die überstehenden Papierstreifen mit dem Skalpell sauber abschneiden und das Relingstück vorsichtig von der Glasscheibe lösen. Es wird so stabil, dass man es knicken kann.


    Übrigens, wenn Ihr andere Erfahrungen gemacht habt, lasst es mich wissen. Ich lerne schließlich immer noch dazu.


    Und jetzt kommen die Fotos.


    Papier-Tiger

  • Der Relingbau aus ungetränktem Material, rein wie die Natur es gibt . Man sieht bei der Markierung: Ungeduld wird bestraft! Wenn man den Karton mit zu viel Druck und nur einem Schnitt schneiden will, dann pilzt er auf und zerfasert. Sonst sind fast Streifen in Materialstärke möglich. Mit dem richtigen Kleber (war gerade mal aus!) kann man die Reling durch nachjustieren noch besser hinkriegen, und naklar, Übung bringt auch was (ist halt mein Erstling!).

  • Jetzt mal Relingbau mit getränkten Papierstreiben (mit UHU extra), ging bedeutend besser von der Hand. Bei (1) ist der klebefleck zu sehen, mit dem das Reling-Musterstück unter die Glasplatte geheftet wurde. Bei (2) ist eine Klebe-Raupe (aus Wiccoll) zu sehen, mit denen die Längsträger einseitig fixiert wurden.

  • Und hier (Tusch!) das Ergebnis der Mühen: Noch ein Erstling, aus mit UHU extra getränktem Color Copy Papier von 100 g/m², geschnitten in Streifen von 0,3 mm Breite, montiert mit Wiccoll.


    Deutlich besser als der erste Versuch, finde ich.

  • Hallo Papiertiger,
    Danke für die wirklich informativen Testreihen und die Mühe ,die Du dir damit gemacht hast!


    Ich werde Deine Ergebnisse mit Sicherheit bei meinen weiteren
    Bauausführungen sehr gut verwenden können.
    Nochmals vielen Dank.


    Liebe Grüsse vom Peter

  • Quote

    Original von Michael Urban
    Was mich interessieren würde: Wenn man etwas Übung mit Deinem Verfahren hat - wie lange dauert dann die Herstellung von 10cm Reeling?


    Na, ich schätze, dass man mit entsprechender Routine die reine Arbeitszeit unter 10 Minuten drücken kann. Aber zuerst ist der Karton zu imprägnieren (Trockenzeit!), dann erst kann geschnitten und montiert werden.


    Papier-Tiger

    Fülle Deine Tage mit Leben und nicht Dein Leben mit Tagen.

  • Hallo Papier-Tiger,


    Danke für deinen Erfahrungsbericht wird bestimmt einiges in meinen zukünftigen Schiffsbau mit einfliessen.


    Währe auh schön von dir wenn du ein so gebautes Schiff hier Bild davon hier einstellen würdest.


    Viele Grüße
    Ernst

  • Hallo Papier-Tiger


    die Herstellung der Papierreeling werde ich mal üben, und ich hoffe dann auch ein so gutes Ergebnis zu erreichen.
    Der Rest des Berichtes war sehr informativ.


    Gruss


    Michael (gmd12)

    "Die beste aller möglichen Welten ist eine Welt ohne Religion" John Adams (1735 - 1826) US-Präsident

  • Hallo Papiertiger,


    Du hast die da eine Menge Arbeit angetan, aber danke dafür.
    Eine Frage hätte ich noch dazu.


    Wie hast du den UHU aufgetragen?


    Beim Leim hast du sicher einen Pinsel verwendet.


    Grüße Friedulin

  • Hallo, Friedulin,


    tja, dumm von mir, darauf nicht eingegangen zu sein. < So'ne Dusselei! >


    Mit Ausnahme des Sekundenklebers habe ich alle Kleber aus der Tube/Flasche aufgetragen und mit der Fingerspitze gleichmäßig verteilt. (Keine Angst, es ist ja nur eine relativ kleine Menge, man kann durch den Fingerdruck einen gleichmäßigen Auftrag erzielen, und vom Finger gehen die Kleber auch recht gut ab! Man sollte nur nicht direkt danach ein Modell anfassen!!) Der Sekundenkleber wurde mit der Aufstrichöffnung verteilt, zieht aber auch schon selbst etwas ein.


    In der Hoffnung, für etwas mehr Klarheit gesorgt zu haben
    Papier-Tiger

    Fülle Deine Tage mit Leben und nicht Dein Leben mit Tagen.

  • Hall Michael,


    dann haben die Heinzelmännchen bei Kittifix ja die pure Gesundheit in den Kleber gepackt ... wenn die Dämpfe schon so antipazifistisch sind ... oder haben die Dämpfe gegen militärische Modelle ;) *KittifixwiedervonderEinkaufslistestreicht*


    Gruß


    René


    Kartonbau.de ... Mein Forum

  • Halt, halt, nicht so schnell!


    Man muß aus jeder Not eine Tugent machen.
    Wenn man Kittifix schon nicht zum Kleben verwenden kann, vielleicht kann man es dann zum Altern der Modelle verwenden!


    Grüße Friedulin

  • Hallo Klebefans,
    beim Arbeiten mit Sekundenkleber habe ich immer eine Rolle Toilettenpapier danebenliegen. Mit der Ecke von einem Blatt davon kann ich immer überflüssigen Kleber durch vorsichtiges Antupfen entfernen (reduziert auch die Glanzstellen).
    Das wollt' ich nur noch sagen!
    Hajo

    Ein Leben ohne Kartonmodellbau ist möglich, lohnt aber nicht! (Frei nach Loriot)

  • ... so wie es geschrieben wurde.


    Mit Ponal hatte ich bisher die besten Ergebnisse, dauert zwar etwas länger beim Trocknen, aber keinen Wellen wie beim Wiccoll.
    Hatte schon mehrere Versuche mit dem Raumkreuzer Orion hinter mir, der hat am Äquator mitschiffs eine plane Scheibe, bei mir sah sie nach dem Kleben mit Wiccoll immer wie ein Salatblatt aus!!!


    mfG Peter

  • Hallo Peter,
    ganz im allgemeinen ist Kleber auf Wasserbasis keine gute Idee für flächige Verklebungen. Besser Sprühkleber (z.B. 3M) nehmen.
    Gruß
    Jan

  • Hallo an Alle!


    Meine Erfahrung betreffend Klebern ist folgende:


    Kleine Teile verklebe ich mit Wicoll, wobei ich auch eine eigene Flasche mit extra verdünntem, schwarz eingefärbtem Wicoll verwende (Wicoll ist mit Tempera-Farben sehr gut einzufärben).


    Größere Flächen verklebe ich ebenfalls mit Wicoll, jedoch vorerst nur zum punktuellen fixieren, dann wird mit dem Pinsel die Klebenaht vorsichtig verstärkt (Kapillareffekt - verdünnten Kleber in die Spalte einbringen).


    Verdoppeln von Material (aufziehen auf Karton) mach ich grundsätzlich mit Sprühkleber. Bei kleineren Teilen, die verdoppelt werden habe ich sehr gute Erfahrungen mit dem Pritt-Klebestift gemacht.


    Manchmal, für spezielle Teile, die schwierig anzupassen sind (Flügelwurzel-Abdeckungen) arbeite ich mit sehr dickem Tapetenkleister, der das Papier weich macht und eine gute Anpassung ernöglicht.


    Servus


    Josef

  • ... habe ich in mehreren Versuchen unverdünnt wie leicht verdünnt eingesetzt, die verdoppelte Scheibe wellte sich nun einmal; liegt wahrscheinlich an meiner fehlenden Übung.


    Mit einem Klebestift von UHU (für Kinder/Schulbedarf) hat es schließlich geklappt.


    Ich übe und versuche weiter ...


    mfG Peter

  • Hi Peter,
    das hat nichts mit Übung zu tun. Das Wasser im Kleber zieht in die beiden Bauteile ein, die sich dann unterschiedlich ausdehnen und dann verbunden werden. Beim austrocknen ziehen sie sich wieder zusammen und werden wellig. Das wird umso schlimmer, je größer das Bauteil ist. Es kann mit Wicoll nicht funktionieren, auch nicht mit pressen. Erspar dir Frust und nimm Sprühkleber.


    Viele Grüße
    Jan

  • Hallo Peter,


    ich nehme statt Wicoll den Ponal geht genauso mit den verdünnen mit Wasser, Wenn die Kanüle in der kleinen Flasche verstopft ist. Mache ich die Holzhammermethode und Brenn die Kanüle aus.


    Für große Teile nehm ich auch den PONAL her (ist billiger) nach den aufkleben kommt der Karton unter meinen alten Monitor Rückseite 20kg nach einer Stunde hole ich den Karton raus. Keine Wellen und eben wie ein Brett.


    Gruß
    Ernst