Museum Neuruppin: In die nächste Dimension!

  • Im Museum Neuruppin ist seit dem 27.9. bis zum 30.12.2018 die Sonderausstellung "In die nächste Dimension!" zu besichtigen. Ausgestellt werden Modellbogen der Neuruppiner Druckereien, teilweise zusammen mit den gebauten Modellen und mit aktuellen Modellen, die das gleiche Objekt zeigen. Typisch für die Produktion dieser Druckereien handelt es sich überwiegend um Architekturmodelle.

  • Hallo!


    Ich war ebenfalls bei der Eröffnung der Ausstellung am vergangenen Wochenende vor Ort. Leider muss ich meine Bilder erst noch sortieren, bevor ich sie hier einstellen kann. Und dann lohnt es sich auch, hier etwas mehr über die Ausstellung und ihre Objekte zu erzählen.


    Als kleiner Appetithappen hier schon mal ein Blick auf die Begleitpublikation:


    https://www.kartonmodellbau.de…/63481486/Products/302794


    Viele Grüße


    Axel

  • So liebe Schnippelkünstler,


    hier nun ein paar Bilder um einen ersten Eindruck zu vermitteln. Die Sonderausstellung befindet sich in einem Neubau, der erst 2015 bezugsfertig wurde. Der Anspruch der Vermittlung von Hintergrundwissen ist auch deutlich gegeben, ausführliche Beschriftungen erläutern den Hintergrund der Entstehung der Kartonmodellbaubogen aus Neuruppin.


    Eigentlich assoziiert unsereiner mit Neuruppin die Vorgänger der Modellbaubogenproduktion, die Bilderbogen. Diese sind im Ursprung zwar älter, was die Fertigung der drei Hersteller in Neuruppin betrifft, aber auch in Neuruppin wurden Kartonmodellbaubogen klassischer Art hergestellt!

  • Zu erwähnen ist vielleicht noch, dass in der Ausstellung etliche Modellbogen zusammen mit dem gebauten Modell ausgestellt sind, um es für das Publikum anschaulicher zu machen. In einigen Fällen steht daneben noch ein aktuelles, modernes Modell des gleichen Bauwerks (z. B. Bogen 5940 "Brandenburger Thor" von Oehmigke & Riemschneider - dasselbe gebaut - gebautes Modell 652 Brandenburger Tor von J. F. Schreiber). Konzeptionell m. E. sehr gelungen, auch für Nicht-Modellbauer ansprechend und anschaulich, außerdem durch die modernen Modelle auf das aktuelle Hobby verweisend. Der Museumsshop verkauft übrigens sowohl Reprints einiger Neuruppiner Bogen als auch Modelle von Schreiber.


    Die Modellbauten der Neuruppiner Bogen wurden größtenteils von Mitgliedern des AGK für die Ausstellung angefertigt, die Schreiber-Modelle hat der Verlag ausgeliehen. Naturgemäß liegt der Schwerpunkt stark auf Architekturmodellen, denn in Neuruppin wurde nur sehr wenige technische Modellbogen produziert.

  • Ein paar Detailaufnahmen von gebauten Modellen kann ich dann auch noch bieten. Man sollte dabei berücksichtigen, es handelt sich ausnahmslos um Modelle von Modellbaubogen aus der Zeit vor 1940! Natürlich hier jetzt anlässlich der Ausstellung aus Kopien erbaut.


    Wenn ich dann in den nächsten Tagen die erwähnte Begleitpublikation gelesen haben sollte kann ich hier auch gerne noch ein paar Details zum Hintergrund der dargestellten Modellbaubogen niederschreiben. Auf alle Fälle lohnt es sich, diese Literatur zu studieren, denn sie bringt einem Verleger und Produkte nahe die uns heute nahezu unbekannt sind. Oder vielleicht übernimmt ein liebenswerter Mitstreiter auch diese Aufgabe? ;)


    Viele Grüße


    Axel

  • Hallo,
    Danke für diesen Bericht. Vielen ist gar nicht so bewusst, dass in Neu- Ruppin eine der Quellen für den Kartonmodellbau liegt. Das liegt vielleicht auch daran, dass Neu-Ruppin eher für die illustrierten Bilderbogen bekannt ist. Dass bei den frühen Modellbogen, seien es die von Schreiber oder Neu-Ruppin viel Architektur zu finden gibt hängt vielleicht auch mit den den Abwicklungen der Baukörper zusammen, aus denen ein Gebäude besteht. Man darf nicht vergessen, dass solche Modellbogen nicht nur für Erwachsene sondern hauptsächlich für ein jüngeres Publikum gedacht waren.
    Ulrich

                                                                                   Artikel 1 GG:

    Die Würde des Menschen ist unantastbar.

    Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt



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  • Hallo,


    nun will ich gerne noch ein paar Worte über die Hintergründe dieser Ausstellung in Neuruppin verlieren. In Neuruppin waren ursprünglich einmal drei Verlage beheimatet: Oehmigke & Riemschneider, Gustav Kühn und F.W. Bergmann. Diese Verlage haben zuerst Bilderbogen erstellt, oft Bezug nehmend auf aktuelle Geschehnisse, doch ab etwa 1850 ließen neue Informationsmedien gepaart mit steigender Alphabetisierung diesbezüglich die Umsätze einbrechen.


    Da ergab es sich gut, dass einige Zeit zuvor die ersten Modellbaubogen in England erschienen waren, und ab etwa 1858 begannen dann auch die Neuruppiner Verleger einer nach dem anderen mit der Produktion von Kartonmodellbaubogen. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg erlosch dann jedoch in Neuruppin die Neuproduktion von Modellbaubogen.


    Das Kreis- und Heimatmuseum Neuruppin, entstanden 1954, übernahm Bestände von Bilderbogensammlungen u.a. aus den ehemaligen Firmenarchiven der genannten Neuruppiner Verlage. Dazu gehörten auch Modellbaubogen, leider nur von Architektur, technische Objekte sind bis heute in dieser Sammlung leider nicht vorhanden.


    Schon 2003 hatte es in diesem Museum eine Sonderausstellung mit Kartonmodellen unter den Titel „Modelle von gestern und heute“ gegeben. Nachdem 2015 der Erweiterungsbau des Museums eröffnet worden war wurde nun auch die Gelegenheit genutzt, eine neue Sonderausstellung zu initiieren. In Zusammenarbeit zwischen dem Museum und dem „Arbeitskreis Geschichte des Kartonmodellbaus“ (AGK) wurden Modelle aus Kopien alter Modellbaubogen erstellt, und dazu die Begleitpublikation veröffentlicht. Freundlicherweise hatten sich Sammler bereit erklärt, aus ihren Sammlungen Modellbaubogen technischer Objekte beizusteuern um die aktuelle Ausstellung zu bereichern.


    Fazit: Eine sehr gelungene Sonderausstellung, die den Blick auf einen Teil der Geschichte des Kartonmodellbaus wirft, die Vielen heute nicht bekannt sein dürfte. Die Begleitpublikation ist sehr lesenswert, füllt eine wichtige Wissenslücke und sollte nach meiner persönlichen Meinung am besten vor einem Besuch des Museums gelesen werden!


    Axel

    Das Unvollendete liegt in der Natur.


    Es ist eine große Kunst, ja Weisheit, im richtigen Moment aufzuhören.


    Wir sollten uns alle vor dem Perfektionismus in acht nehmen.

  • Hallo,
    zu bemerken ist noch, dass bei den frühen Modellbogen sowohl von Schreiber als auch bei denen aus Neu-Ruppin, oft Figuren mitgedruckt werden, um die Szenen zu beleben. Es sollte Athmosphäre geschaffen werden.
    Solange die Lithographie nicht erfunden war mussten die Bogen handkoloriert werden. Oft in Heimarbeit von Leuten, die sich die Modelle nicht so einfach leisten konnten. Das Handkolorieren kann man bei den manchmal über die Konturen reichenden Farben erkennen oder auch an ganz kleinen weißen Stellen, die innerhalb des Umrisses lagen.
    Besonders beliebt waren in den 60 und 70er Jahrendes 19. Jhdts. Modelle von Häusern oder Dörfern aus der Schweiz.
    Aber über die Geschichte der Bilderbogen und ihre Wirkung schreiben würde hier den Rahmen im Forum sprengen. Empfehlenswert ist auf alle Fälle die Beschäftigung mit den Neu-Ruppinern Bogen. Und auch mit der Geschichte der Modellbogen überhaupt. Diese ist sehr spannend. Das erste bekannte Kartonmodell ist ein Kruzifik, das auch als Sonnenuhr benutzt werden kann aus dem Jahre 1529 und die hier auch schon vorgestellt wurde!
    Ulrich

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