Ob, lieber Jens, Herr Tabernacki willens und in der Lage ist - Vorgaben zu Entwicklungszeiten, Seitenzahlen und Kosten der Bogen-
von seiner Gewohnheit abzuweichen, entzieht sich meiner Kenntnis.
Lieber Adolf,
ich kenne solche Vorgaben als Laie natürlich nicht, aber ich denke, dass man als Konstrukteur genügend Zeit hat, seine Konstruktion und die dazugehörige Textur ordentlich auszuarbeiten, ohne schluderig zu werden. Was also ist das „Problem” (meinerseits) mit den neueren Tabernacki-Modellen?
Das erste ist die Konstruktion an sich, bei der er versucht, den Spagat zwischen einfachem Bauen und Superungen versucht, aber nie richtig erreicht. Bei der Kreuzenstein ist das z. B. gründlich misslungen, wenn Du meinen Baubericht in diesem Forum verfolgt hast. Ich wünschte mir, dass er wieder zu den detaillierten Ausarbeitungen zurückkehrt, die er etwas beim Hamburger Michel und der Frauenkirche an den Tag gelegt hat. Auch bei der Marksburg gähnen etwa leere Fensterlöcher in schwarz in den Mauern, wo ich mir gewünscht hätte, dass er Möglichkeiten und Zusatzteile anbietet, um diese gesupert auszuarbeiten. Der prominente Laubengang der Burg Kreuzenstein ist das beste Beispiel dafür, denn hier wird nur eine flache Tapete angeboten. Und wie schon in meinem Bericht beschrieben ist die perspektivische und konstruktive Ausarbeitung der gotischen Außenerker im Palas ein Desaster, so kann man prominente Teile nicht gestalten, wenn sie dermaßen viele Perspektivfehler aufweisen.
Nicht zuletzt muss sich Tabernacki auch von den Graupappen-Zwischendecken verabschieden, die eine überflüssige Schwerstarbeit darstellen und dennoch mit ihren grauen ungefärbten dicken Kanten so manches Dach verschandeln. Als Grundboden oder Zwischenböden sind sie legitim (toll z. B. bei seinem Neuschwanstein), aber für Dachböden noch so kleine Deckel oder gar runde Teile aus dicker Pappe aussägen zu müssen fehlt mir das Verständnis – hier ist wieder die Balance aus „einfach” und „zu diffizil” im Ungleichgewicht.
Nun zu den Texturen, da habe ich mich schon sehr oft drüber aufgeregt und dies auch beschrieben. Schau Dir bitte den ebenfalls prominenten Berghang der Kriebstein an, den ich mit den orangen Pfeilen verziert habe. Oben rechts stoßen zwei Mauerteile zusammen, dort ist etwas Grün mit dabei – und das Grün spiegelt sich unbearbeitet einfach über die vertikale Kante und bildet so eine Art „Rorschach-Muster” (gespiegelte Bilder). So was darf nicht sein, hier muss der Konstrukteur aufpassen, dass sich durch aneinanderstoßende Teile keine Spiegelungen ergeben. Und genau das tut Tabernacki nicht mehr. Dass in manchen Texturen ebenfalls Wiederholungen oder sichtbare Spiegelachsen blühen, signalisiert mir nur leider Faulheit bei der Bildbearbeitung. Man kann solche Spiegelungen oder Wiederholungen mit Photoshop etc. sehr wohl genügend und präzise weiter zukaschieren und mit Stempelei aus anderen vorhanden Texturen verwischen. Und das dauert mit etwas Geschick nur noch wenige Minuten.
Außerdem ist Tabernacki nach wie vor der Meister der „tanzenden Fenster”. Man sieht immer, von wo aus er die Fenster fotografiert hat, mal von unten links, mal von oben rechts, und seine unbearbeiteten Fenster verraten all diese Fehler durch die falschen Anblicke unter die Simse und auf Fensterbänke (sofern man sie sieht). Er möge bitte beim Kollegen Peter Gierhardt Nachhilfe nehmen oder meinen Artikel im AGK-Heft 13 über diese Problematiken nachlesen, denn auch hier geht mit Photoshop einiges zu entzerren oder zu verbessern.
Seine Konstruktion ist sicherlich passgenau, aber auch bei der Kriebstein haben mich die Dächer sprachlos gemacht, denn diese mit vielen diagonalen Falzlinien verunzierten Mehrfachzacken sind alles andere als schön anzusehen oder gar dem Vorbild gerecht. Da hat er kein Vertrauen in die Biegbarkeit des Materials und hätte durchaus einige Falze weglassen können. Was mich weiterhin stört ist, dass Tabernacki seitenweise Leermaterial missbraucht, um hunderte von Baustufenbildern zu platzieren, wo ein paar wenige gute Explosionsskizzen auf maximal zwei Bogen oder in Weißteilen vollkommen ausgereicht hätten. Vorbild dafür sollte Siegmunds Burg Eltz sein oder die sparsamen und dennoch übersichtlichen Skizzen von Peter Gierhardt. Mich hat es abgetörnt, bei der Kreuzenstein erst drei oder vier Bogen weißes Bildermaterial durchblättern zu müssen, ehe man zu den eigentlichen Teilen kommt. Die Verschwendung von Weißteilen ist ein weiterer Aspekt, wo es Tabernacki in den letzten Jahren leider etwas ausufernd wuchern lässt.
Ich vermute einmal, daß er diesen Baubericht gar nicht zur Kenntnis genommen hat und so deine in gewisser Weise berechtigte Kritik ins Leere stößt.
Das mag sein, dass er das hier nicht liest. Das entbindet ihn aber nicht von der Sorgfalt, die ein Konstrukteur an den Tag legen muss. So langsam entwickelt sich Tabernacki nämlich zurück und tendiert latent zu den luschigen Arbeiten von Ivan Zadrazil.
Was sagst du denn zu der aus meiner Sicht sehr gelungenen und deshalb wesentlichen Konstruktion und den ansonsten stimmigen Texturen? Mir kommt es leider so vor, daß du - weil Herr Tabernacki auch in anderen Architekturmodellen- Spiegelungen und Doppelungen einsetzt, bei der Durchsicht eines neuen Baubogens von Ihm das bewußte Haar in der Suppe suchst und auch findest.
Ich freue mich nicht nur über gelungene Konstruktionen, sondern auch über eine gute Bogengestaltung an sich. Jene, die man mit Lust mehrmals durchblättert, sich an der Gestaltung und Teileanordnung erfreut und ohne viel Blätterei das Modell quasi im Geiste zusammensetzen kann. Für mich unschlagbares Vorbild ist die Burg Eltz von Siegmund, oder seine Bruneck oder die Wartburg, oder viele Vyskovsky-Modelle, und ja, auch Tabernacki hatte mit der Frauenkirche Dresden ein gutes Modell mal vorgelegt. Die neueren Tabernacki-Modelle hingegen haben so viele kleine Schönheitsfehler, dass sie bislang ungebaut und unbetrachtet blieben. So schön es ist, dass es jetzt eine bessere Kriebstein als das Monster von Ivan Zadrazil gibt (welche wohl kaum jemals einen Kontrollbau erlebt haben dürfte) – mein Credo bei jeder meiner Arbeit ist: es geht immer noch einen Tick akkurater, besser und schöner, selbst wenn man irgendwelche Vorgaben hat. So manche Verschönerungsarbeit kostete mich nur wenige Minuten und hat dennoch massiv zur Verbesserung beigetragen. Denn erst wenn dem Kartonisten nichts mehr stört, ist das Modell in jeder Hinsicht gelungen. Und nein, ich nörgele nicht aus Prinzip oder weil ich ein böser Mensch bin, sondern weil es nun mal auffällt, dass andere Leute eben nicht diese 120% geben, um etwas noch immer kurz vor Schluss noch einen Tick zu verbessern. Gerade wenn ein Modell fertig gebaut vor einem steht (besonders ein Kontrollmodell), schaue ich akribisch in alle Ecken und auf alle Texturen. Spätestens dann würde ich noch eine Handvoll Korrekturen angebracht haben. Ich bin nun mal ein Perfektionist.