Faden-Reling - Hilfsmittel: Karton

  • Ich gestehe offen: Ich bin ein Fan der auf das Modell abgestimmeten Ätzteile. Doch die gibts zu älteren Modellen nicht. Nachdem mir dann einmal ein Spannrahmen für Wanten in die Finger fiel, dachte ich, dass so noch mehr machbar ist, mit angepassten Spannrahmen.
    Gedacht, probiert ... und eigentlich präsentable Ergebnisse.


    Die Methode wird mit Zeichnungen (siehe unten) und Fotos (siehe weitere Postings) erläutert.


    Grundidee ist, die abgekupferte Reling in einem angepassten stabilen Kartonstück zu weben, zu spannen und versiegeln und dann zuzuschneiden und zu montieren.


    Damit es nicht zu teuer wird, andererseits die nötige Stabilität gewährleistet ist, verwende ich Bristolkarton von 1 mm Stärke (in Zeichen- und Kunstbedarfsgeschäften). Das zu verwendende Stück muss deutlich größer sein als die Reling, sollte aber wegen der Handhabung nicht größer als etwa DIN A5 werden.


    Die Reling immer Außenreling am Modell - wird auf die Mitte des Kartons übertragen, alle Linien (also Relingstützen und durchzüge) werden bis zum Kartonaußenrand verlängert. Rund um die Reling wird im Abstand von mindestens 5 mm ein Rahmen gezogen. Genau auf den verlängerten Relinglinien werden nun versetzt Löcher von 1 mm Durchmesser gebohrt ein Lob der Mini-Bohrmaschine. Versetzt bohren deshalb, damit die Stabilität des Kartons erhalten bleibt, und zwar je enger die Linien laufen desto mehr Lochreihen sollte man vorsehen. Zum Schluss wird das um die Reling gezeichnete Viereck sauber ausgeschnitten.


    Nun beginnt die Fadenzieherei mit der Auswahl des Materials. WICHTIG: KEINE SYNTHETIKGARNE! Am besten sind Nähgarne und Nähseiden ohne Synthetikanteil verwendbar. Bei Nähseiden gibt es eine große Farbpalette, die ein weitgehendes Anpassen an die Relingfarbe erlaubt. Bei schwarzen und weißen Nähgarnen gibt es unterschiedliche Stärken, so dass Relingstützen dicker ausfallen können als die Relingdurchzüge.


    Jetzt das einfädeln: Zu Beginn ein Schnitt in den Außenrand des Kartons, Knoten ins Garn, Garn einklemmen und durch das erste Loch fädeln. Jetzt wird klar, warum 1 mm-Löcher: Durchziehen geht auch ohne Nadel! Dann nach und nach möglichst stramm, jedoch nicht brutal, alle Löcher durchfädeln, und zwar so, dass der Faden auf Vorder- und Rückseite parallel läuft. Genau das ist der besondere Charme dieser Methode: Es entstehen immer 2 spiegelbildliche Relings! Zum Schluss das Endstück des Fadens ebenfalls in einen Einschnitt einklemmen und zusätzlich sichern (ich verklebe).


    Es folgt die Spannerei, dank Chemie ohne Probleme. Der Trick ist, den handelsüblichen Holzleim Ponal mit Wasser auf die Konsistenz von Milch zu verdünnen (mir reichen 2-3 Tropfen im Kronenkorken einer Bierflasche, Wasser dazu und gut mit Zahnstocher umrühren). Mit dieser Mischung wird das gespannte Netz sorgfältig eingepinselt bzw. getränkt, insbesondere die Kreuzungspunkte. Sollten benachbarte Fäden sich zu nahe kommen, können sie mit dem Pinsel getrennt werden. Das Ganze sollte nun über Nacht trocknen, dann tritt nämlich ein erstaunlicher Effekt ein: Der Leim trocknet matt transparent und ohne Farbverfälschungen auf, er spannt durch einen Effekt des Einlaufens die Fäden zusätzlich, er versteift die Fäden, fixiert die Kreuzungspunkte und lässt die bei Garnen abstehenden Fasern sich an das Garn anlegen. Dies klappt nicht bei Synthetikgarnen, und wegen des Spanneffekts wird nun klar, warum ich stabilen 1 mm Bristolkarton empfehle.


    (Alternativ zum Ponal-Gemisch kann man auch Spannlack oder sogar Haarspray verwenden, aber davon halte ich gar nichts. Die Sprühdosen versauen die gesamte Arbeitsumgebung und auch die Rahmen, und Haarspray müffelt dazu noch monatelang.)


    Nach dem Aushärten kann die Reling nun vorsichtig (ohne Druck oder Verkanten!) aus dem Spannrahmen geschnitten und zugeschnitten werden. Soll ein rotbrauner Holz-Handlauf oben auf die Reling, nehme ich passendes Stickgarn, schneide im Spannrahmen nur die Relingstützen zu, kerbe den Spannrahmen außen passend an der Relingoberkante ein, spanne das Stickgarn und wiederhole den Prozess des Tränkens für das Stickgarn und die Oberkante der Reling.


    Größter Nachteil dieser Methode ist, dass nur geradlinige Relingteile hergestellt werden können. Der Deckschwung muss z.B. durch ganz vorsichtiges Drücken und Ziehen hergestellt werden. Relingteile, die in der Abwicklung einem Kegelstumpf entsprechen, lassen sich so nicht herstellen.


    Größere Rundungen sind wie bei Papier herstellbar. Bei kleineren Rundungen ist extreme Vorsicht angesagt (geht nur einmal, nicht rückholbar), weil das imprägnierte Garn an der Biegestelle leicht die Stabilität verliert. Echte scharfe Abkantungen sind kaum zu erreichen, dann lieber ein scharfer Schnitt und alles an nur einer Stütze an der Kante verkleben. Verkleben kann man die Reling gut mit Uhu möglichst frisch mit hohem Lösungsmittelanteil -, wobei extrem auf die Vermeidung von Klebstofffäden zu achten ist. WARNUNG: So stabil wie eine Papierreling wird das Ganze nicht!!!


    Mit dieser Methode habe ich auch Handläufe von Niedergängen, Leitern und Wanten hergestellt. Mit etwas Übung und vorsichtiger Handhabung klappt es ganz gut, selbst Relingenden sind anformbar. Reste und unbenötigte doppelte Teile gehen in die Grabbel-Kiste (sind auch nach längerer Zeit noch verwendbar, wenn sie passen).


    Vor Anwendungen aus der Spraydose bin ich bisher zurückgezuckt, weil ich bei der Pinselmethode bessere Kontrolle über die Durchtränkung habe und dazu nur die freischwebenden Fäden benetze. Damit verkleben keine Fäden mit dem umgebenden Karton, und so kann ich insbesondere Standard-Rahmen (z.B. Handläufe von Niedergängen, Leitern) mehrfach benutzen. Dazu schreibe ich die Daten (Treppenstufen, Winkel, Leiterbreite ...) einfach auf den Karton.


    Generelle Schwierigkeiten ergeben sich durch Umkonstruktionen, wenn z.B. bei einem Deck die Innenreling hochzuklappen und die Außenreling daran festzukleben ist (Schanzkleid- oder Verdopplungsmethode). Dann ist die Innenreling vorzugsweise in eine nach unten zu knickende Klebelasche umzufunktionieren oder (falls die Situation dies nicht erlaubt, weil z.B. sonst sichtbar!) sogar abzuschneiden! Eine andere Schwierigkeit sind Niedergänge (Treppen) in Aufbauwinkeln, so dass eine Seite an die Aufbauwand stößt. Meistens ist auf der Aufbauwand der Platz der Treppenreling markiert und farblich ausgespart. Hier hilft nur ein Einfärben der weißen Fläche oder Überkleben mit einem Stück Farbfläche (bei neueren Modellen oft vorhanden). Die größte Schwierigkeit dürfte jedoch sein, dass bei Kriegsschiffen meist die Außenreling rund um das Hautdeck total fehlt (dies ist dann die ultimative Herausforderung für Kreative!).


    Die folgende Zeichnung soll die Beschreibung verdeutlichen.
    Es folgen Fotos von Anwendungen bei dem Eisbrecher Eisbär (grau, mit Leiter), dem Seenotkreuzer Vormann Leiss (mit angeformten Reelingenden) und eine Totale von der Rainbow Warrior. Bitte beachten: alle Modelle über 3 Jahre alt, keine abstehenden Fasern an den Garnen.


    Viel Erfolg beim Probieren.


    Papier-Tiger

  • Ich ziehe die Fäden vor dem Verarbeiten über ein Wachs-Teelicht, dann hat man keinen Ärger mit eventuellen Fuseln, der Faden wird etwas steifer und der Drall (die Drehung im Faden) wird reduziert.
    Das wollt' ich nur noch sagen!
    Hajo

    Ein Leben ohne Kartonmodellbau ist möglich, lohnt aber nicht! (Frei nach Loriot)

  • Glückwunsch Papiertiger!
    Deine Relinge sehen wirklich sehr gut aus.
    Die Methode war ja öfter schon mal Thema, ich glaube, ich werd´s jetzt irgenwann auch mal ausprobieren.


    In welchen Maßstab wagst Du Dich denn an diese Dinger?


    Grüße von Knut.

  • @papier-tieger: die Vormann Leiss sieht sehr gut aus.Danke nochmal für den Link hier im Forum


    @alle
    das mit der Reling a la Passat ist hervorragend.Ich selbst habe von Passat die Schaarhörn und die Vormann Leiss gebaut,habe aber die Fadentechnik nur halbherzig umgesetzt.Bei Schaarhörn nur die Wanten und bei Vormann Leis nur die Seitliche Reling , nicht die Bugreling
    Gruß Werner

  • Hallo, Freunde,


    es freut mich, dass in meinem Erguß doch etwas brauchbar war, auch wenn es in Zeiten der Laser-Reling sozusagen Schnee von Gestern ist. Aber die gleiche Technik eignet sich für Wanten (speziell angepaßt ans Modell - gibt's [noch nicht] kommerziell) und für (halb-)steife Antennendrähte. Und bei den Laser-Relings hab ich manchmal so meine Schwierigkeiten mit den Abständen der Relingstützen.


    Dazu gelernt habe ich, dass ein Ziehen der Fäden über Wachs (Kerze reicht) die Fasern schön einfängt, aber der Leim verbindet dann nur die Knotenpunkte und versteift mangels Eindringtiefe die freie Fadenlänge nicht. Das führt meines Erachtens nach zu lappigen Konstruktionen. Ist nicht zwingend angesagt, siehe meine Vormann Leiss, fotografiert ca. 4 Jahre nach Fertigstellung.


    @ knooty
    Die Beispiele sind alle im Maßstab 1:250.


    An Euren Erfahrungen bin ich interssiert, ich möchte gerne dazu lernen.


    Viele Grüße
    Papier-Tiger

    Fülle Deine Tage mit Leben und nicht Dein Leben mit Tagen.

  • Hallo,


    Der Thread ist zwar shcon etwas älter aber mich interessiert diese Methode der Reling-Herstellung sehr.
    Ich hab mal die Frage, ob man die Fäden nach dem Spannen auch z.B mit Revell-Farben oder etwas anderem einpinseln kannn ?


    mfg
    Nicky

  • Hoi Nicky,


    Es ist ziemlich einfach: Faden aus Baumwolle oder Leinen gibt es in verschiedenen Farben. Als Alternative zur Methode von Hans-Joachim kann man den Faden nassmachen, mit Weissleim zwischen Daumen und Zeigefinger einschmieren, mit ein kleines Gewicht dran trocknen lassen, und der Faden laesst sich schoen verarbeiten (bleibt biegsam) mit Schablone fuer Relings, abe auch als Takelage.


    groetjes,
    Gert

  • Bei der Melik habe ich die Fäden gar nicht verklebt, sondern das eingespannte "Gewebe" gleich mit Sprühfarbe eingefärbt. Farbe klebt nämlich auch ;)


    Klappt prima und erspart 2,5 Arbeitsschritte.


    Viele Grüsse
    Michael