Mechanisches Modell "The Rack" von Arcturus

  • Ich tue dies einem Papiermodell nicht gerne an, aber ich halte es für erforderlich:


    Das Modell, dass ich heute vorstellen möchte, ist geeignet, unser Hobby bei seiner Zielgruppe, Kindern und Jugendlichen, in Verruf zu bringen.


    Schon die Ankündigung auf dem Titelbild "An easy to assemble moving model" kann ich nur als haarsträubende Irreführung bezeichnen.


    Warum?


    Auf den ersten Blick liegt hier ein attraktives mechanisches Modell mit einer gehörigen Prise schwarzem britischem Humor vor: ein Folterknecht samt seinem Opfer auf der Streckbank. Bei mir weckte das spontan Erinnerungen an etliche ähnliche Modelle von Keith Newstead. Gut die Zeichnungen der Figuren sind m.E. nicht so schön wie bei Newstead, aber das wäre kein nennenswertes Problem.


    Die Probleme liegen in folgenden Bereichen:


    1. Der Karton
    Er ist viel zu dick. Man kann ihn auch nach nachdrücklichem Rillen nicht knicken, geschweige denn runden, wie z.B. bei Armen und Beinen des Opfern vorgesehen. Versucht man letzteres, treten schnell Knicke auf, geht man nicht äußerst rabiat vor, hält der Karton die Rundung nicht.
    Ich habe mir mit zwei Tricks beholfen, die einem Anfänger kaum zu Gebote stehen:
    a) Den Karton gespalten und gut die Hälfte von hinten abgezogen - etwas besser, aber immer nicht glatt zu verarbeiten
    b) Endpunkte der Knicklinien durchnadelt und von hinten zwischen den Endpunkten vorsichtig mit dem Federmesser zwei parallele Linien gezogen (wieder ca. halbe Kartondicke) und den so entstehenden Streifen vorsichtig abgehoben (Bild 3). Jetzt zeigt das Rillen von vorne Wirkung.


    2. Die Kartonoberfläche
    Eine Hochglanzoberfläche wie bei Postkarten. Wer je versucht hat eines dieser winzigen Postkartenarchitekturmodelle zu bauen, weiß, Kleber hält hier schlecht. Beste Lösungen (die ein Anfänger kaum kennen kann):
    a) Klebelaschen abtrennen und durch hinterklebte Laschen ersetzen (Beim Gestell der Streckbank kam schwarzer Tonkarton zum Einsatz)
    b) Gesamten Umriss der Klebelaschen vorsichtig mit dem Federmesser umfahren und die glatte Oberfläche abheben.


    3. Die Passgenauigkeit
    Der dicke Karton ist durchgehend nicht in die Berechnungen eingegangen. Die zu Stäben mit quadratischem Profil verklebten Teile müssen in die entsprechenden Löcher gehämmert werden


    4. Die Konstruktion an sich
    Die Gelenke der Mechanik in der Streckbank sollen aus Pappe ausgeführt werden. Jeder weiß, dass dies deren Lebensdauer stark herabsetzt. Mit den z.B. bei Hampelfiguren verwendeten Verschlussklammern erzielt man hier bei geringerem Aufwand ein besseres Ergebnis.
    Der Kopf des Opfers besteht aus zwei ineinander zu schiebenden Zylindern. Diese müssen leicht beweglich sein, damit das Opfer beim Bewegen der Mechanik Augen und Mund „öffnet“ und schließt“. Leider muss man den inneren Kopf mit roher Gewalt in der äußeren drücken, die Mechanik würde kaum funktionieren. Erst nach starkem Beschnitt wird die erforderliche Leichgängigkeit erzielt.
    Der Kopf des Folterknechts passt nie und nimmer unter dessen Haube.



    5. Die Anleitung
    Zeichnungen fast ohne Worte. ein ganz entscheidender Hinweis fehlt. Das Brett 29, auf das die Beine des Opfers geklebt werden, darf nicht auf dem Korpus der Streckbank festgeklebt werden, es darf nur auf die Lasche geklebt werden, die aus dem Korpus ragt (Bild 2).


    Kleinere Ärgernisse seien nur am Rande erwähnt: natürlich bricht der Karton beim Knicken an der Oberfläche und hinterlässt hässliche weiße Linien, während das Gestell der Streckbank hinten schwarz bedruckt war (allerdings auch nicht durchgehend), ist dies bei den Figuren nicht der Fall, hie muss per Hand bemalt werden.


    Bild 4: eigentlich schön: Der steinerne Boden setzt sich unter der Streckbank fort - aber leider würden hier breite schwarze Klebelaschen den optischen Eindruck zerstören. Mit einem zusätzlichen Ausdruck des Bodens im Bereich der Streckbank, der über die Laschen geklebt wird, kann man dies vermeiden.


    Bilder 5 und 6: Die beiden Kopfteile und wie sie zusammengehören.


    Bilder 7-9: Ja, man kann das Modell hinbekommen, aber
    a) nicht als Anfänger
    b) es macht keinen Spaß, hat über einen Monat gedauert und meine Modellbaumotivation "zusammenschnurrenlassen wie ein Sparkassenbuch in den Sommerferien."


    Fazit: Kinder und Jugendliche ohne Erfahrung mit Papiermodellen, werden von diesem Modell fast zwangsläufig bitter enttäuscht sein und es ist ihnen nicht zu verdenken, wenn der Papiermodellbau damit für sie erledigt ist.


    Wer von Euch diesen Modellbaubogen in einem Museumsshop oder dergleichen öffentlichen Raum antrifft, der kann ich nur herzlich bitten deutlich vernehmbar böse Worte über ihn fallen zu lassen. Wer finanzkräftig genug ist, möge den Vorrat aufkaufen und am besten vor den Augen einer vorbeikommenden Schulklasse in Fetzen reißen.


    Konstrukteur und Verlang würde ich gerne selber „on the rack“ sehen.

  • Muss ja wirklich übel gewesen sein, wenn Du dich zu solchen Bemerkungen hinreißen lässt...


    Trotzdem ein sehenswertes (und vor allem skurriles) Modell geworden.


    Viele Grüße


    Hans Jörg

    Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“ - Albert Einstein