Liebe Leute,
das Thema Abmahnungen aus Heidelberg kommend hat zu ziemlichem Schaden in der Kartonbauer-Gemeinde gesorgt.
Aus diesem Anlass hat Helmut Brücker vom Passat-Verlag -seines Zeichens Rechtsassessor- im Deutschen Schiffahrtsmuseum einen Vortrag zum Thema gehalten. Diesen Text möchten wir Euch nicht vorenthalten:
Abmahnrisiken bei Onlineshops von Helmut Brücker
Einleitung:
Wieder einmal fällt mir die Aufgabe zu, diese doch eigentlich fröhliche und entspannte
Veranstaltung mit einem staubtrockenen Thema zu eröffnen. Vielen Dank, Herr
Nievergelt.
Aber Ihr werdet sehen, dass zumindest der Anlass für dieses Referat alles andere als
„staubtrocken“ ist...
Es wird hier in diesem Saal vermutlich nur noch wenige geben, die sich fragen, warum
„Abmahnrisiken bei Onlineshops“ in diesem Kreis thematisiert werden. Wer aber in
den letzten Wochen in die Kartonmodellbauforen geschaut hat, dem ist der nachfolgend
geschilderte höchst unerfreuliche Vorgang nicht entgangen:
Sachverhalt:
Von Heidelberg aus betreibt eine Frau Gerlinde Schahn den Onlineshop „kamobo – Ihre
Kartonmodellbaubogenwelt“.
Ehemann der Gerlinde Schahn ist Marian Schahn, der als Vertretungsberechtigter der
„London Papers LTD“ auftritt und über diese Limited das „Deutsche Kartonmodellforum“
betreibt.
In diesem „Deutschen Kartonmodellforum“, das sinniger Weise von einer englischen
Limited betrieben wird, fand man gegen Ende letzten Jahres zumThema „Urheberrecht“
eine Reihe unsachgemäßer Ausführungen, in denen behauptet wurde, das Skalieren und
Umfärben von Modellbaubögen für sich selbst stelle eine strafbare Verletzung des Rechts
des Urhebers der Modellkonstruktion, also des Konstrukteur des Bogens, dar.
Inzwischen scheint diese Meinung zu recht dort aufgegeben worden zu sein, aber damals
wurde aus diesem Forum konkret mit Abmahnungen gegen die Modellbauer gedroht.
Das hat verständlicherweise zu erheblichen Aufregungen unter den Kartonmodellbauern
geführt und bestimmt auch einige überlegen lassen, die von ihnen gesuperten oder
skalierten Modelle nicht mehr öffentlich zu zeigen.
Trotz der Drohungen passierte auf diesem Feld allerdings – man muss sagen: bislang –
nichts.
In der Woche nach Ostern allerdings kam dann der Knaller: Onlineshops, die
Kartonmodellbaubögen anbieten, erhielten unvermutet unangenehme Post aus
Heidelberg.
Mit anwaltlichem Abmahnschreiben wurden jeweils Fehler in der Widerrufsbelehrung der
betroffenen Onlineshops beanstandet und es wurde die Abgabe von
Unterlassungserklärungen beansprucht.
Dem Anwaltschreiben waren Kostenrechnungen über jeweils fast 900 € beigefügt.
Auftraggeberin für diese Abmahnungen warGerlinde Schahn als Betreiberin des
Kartonmodellbaushops „kamobo“.
Was eine Kostennote von fast 900 € für die vielfach recht kleinen, zumeist nebenbei und
mit nur geringem Gewinn arbeitenden Shopbetreiber bedeutet, kann sich jeder leicht
selbst ausmalen. Fast alle betroffenen Shops waren erst einmal vom Netz..,
Als die Foren von diesem Vorgang erfuhren, reichte die Meinungsbreite dort von völligem
Unverständnis über das Vorgehen von Frau Schahn bis zu nur mühsam verhalten
geäusserter Wut und wenig versteckten Boykottaufrufen gegen kamobo.
Rechtliche Situation:
Was war geschehen?
Fast alle Onlineshops hatten die rechtlich unverzichtbare Widerrufsbelehrung auf ihrer
Seite eingestellt.
Nach Meinung von Frau Schahn und des von ihr beauftragten Anwalts diese aber
fehlerhaft und würdig, deswegen die Shops kostenpflichtig abzumahnen.
Ein Beispiel:
Bis Juli letzten Jahres galt bei Warenbestellung über Onlineshops folgender Text:
[Die Frist zum Widerruf innerhalb von 14 Tagen] „beginnt nach Erhalt dieser Belehrung
in Textform, jedoch nicht vor Eingang der Ware beim Empfänger.“
Seit dem 29.07.2014 ist dagegen folgender Text vorgeschrieben:
„Die Widerrufsfrist beträgt vierzehn Tage ab dem Tag, an dem Sie oder ein von Ihnen
beauftragter Dritter, der nicht Beförderer ist, die Waren in Besitz genommen haben
bzw. hat.“ (Anlage 1 zu Artikel 246 a Abs 2 S 2 des EGBGB)
Hmm...
Scheinbar nur ein leicht unterschiedlicher Text, scheinbar kaum ein rechtlicher
Unterschied...
Aber eben nur „scheinbar“!
Um den genauen Zeitpunkt des Fristbeginns gab es immer wieder Streit, vor allem um
die Frage,wann die Ware beim Empfänger eingegangen war, wenn sie etwa vom
Paketboten beim Nachbarn abgegeben worden war.
Die neue Formulierung sollte klarstellen, dass auch eine beauftragte andere Person die
Ware sozusagen „fristbeginnend“ in Empfang nehmen kann.
Vor allem die Shopbetreiber hatten an der neuen Formulierung ein besonderes Interesse,
um gegebenenfalls leichter eine Fristversäumnis geltend machen zu können.
Die obige, alte Formulierung hatten aber noch nahezu alle von der Abmahnwelle
betroffenen Shops auf ihrer Seite, und da es bei der gesetzlichen Neufassung keine
Übergangsfristen gab, war ein rechtliches Vorgehen gegen die Heidelberger Abmahnung
nicht wirklich erfolgversprechend.
Die Shops haben also zähneknirschend die Kostennoten bezahlt, wenn auch nicht alle in
der ursprünglichen Höhe des Kostenrechnung.
Wie kompliziert das Widerrufsrecht ist, zeigt auch folgendes Beispiel:
Es war bis Juli letzten Jahres gefestigte Rechtsprechung, dass in der Widerrufsbelehrung
keine Telefonnummer des Verkäufers angegeben werden durfte, um den Käufer nicht
glauben zu lassen, ein einfacher Telefonanruf beim Verkäufer sei ein wirksamer
Widerruf.
Nach dem nunmehr gültigen Text reicht eine „eindeutige Erklärung“ für den Widerruf
aus, und die kann durchaus auch telefonisch erfolgen. Heute muss die telefonnummer in
der Widerrufsbelehrung angegeben sein.
Bis zum letzten Juli hatte es aber sicherlich schon mindestens hunderte Abmahnungen
gegen Shopbetreiber gegeben, die damals die Telefonnummer bereits im Widerrufstext
hatten.
Hier nun beispielhaft eine heutiger Rechtslage entsprechende Widerrufsbelehrung für
Warenbestellungen:
Bild einer Widerrufsbelehrung
Es fällt Euch sicher auf, dass die neue Belehrung auch ein Muster-Widerrufsformular
enthält. Auch dies ist seit Juli letzten Jahres vorgeschrieben, die Benutzung dieses
Formulars durch den Käufer allerdings nicht.
Und warum konnte Frau Schahn überhaupt die „Konkurrenz“ abmahnen?
Fehlerhafte Widerrufsbelehrungen werden von der Rechtsprechung als
Wettbewerbsverstoß angesehen; Frau Schahn hat hierzu vorgetragen, dass ihr (in
Klammern: „wirtschaftliches“) Interesse als Mitbewerberin durch die fehlerhafte
Widerrufsbelehrung spürbar beeinträchtigt worden sei.
Aller Voraussicht nach wäre sie damit bei Gericht auch durchgedrungen, da die
Entscheidungen hierzu sich fast ausschließlich am formalisierten Text orientieren. Bei
dem hohen Streitwert von 10000 € wollte sicher kein abgemahnter Shopbetreiber das
sehr erhebliche Kostenrisiko eingehen.
Ausblick:
Wettbewerbsrechtliche Auseinandersetzungen sind nicht nur unangenehm, sondern
immer vor allem teuer.
Mir stellt sich hier die Frage, ob es für Frau Schahn auch einen anderen, Erfolg
versprechenden Weg gegeben hätte, ihre wettbewerbsrechtlichen Interessen zu
schützen.
Für mich habe ich diese Frage eindeutig beantwortet, und die Antwort, die ich mir selbst
gegeben habe, hat meine Meinung über Frau Schahn (und vielleicht auch über Marian
Schahn) nur noch gefestigt.
Als Konsequenz bleibt ausschließlich, den Internetauftritt unserer Onlineshops
genauestens der jeweils gültigen Rechtslage anzupassen.
Eine Rechtsberatung dazu ist mir weder hier noch sonst möglich.
Aber 2 Tipps gehen doch:
Unbedingt sofort die Widerrufsbelehrung auf den neuesten Stand bringen, samt Muster-
Widerrufsformular.
Und regelmäßig am besten im Internet die Rechtsentwicklung zu Onlineshops
beobachten und gegebenenfalls sofort handeln, wenn sich die Rechtslage etwa durch
neue Urteile verändern sollte oder eine solche Veränderung droht.
Gut überlegen, ob man sich nicht einer Schutzorganisation für Onlineshops anschließt.
Es gibt hierzu einige, die man leicht im Internet findet.
Hierzu nur 2 Beispiele:
e-recht 24
händlerverbund.de
Gegen eine überschaubare monatliche Gebühr prüfen diese Organisationen regelmäßig
die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und die Widerrufsbelehrungen der
angeschlossenen Shops.
„Kneifen“ vor dem Abmahnrisiko gilt nicht!
Es geht darum, den Abmahnern keine Chance zu geben, sich nicht angreifbar zu machen.
Und ich wünsche mir, dass in diesem Fall Friedrich Schiller im Wilhelm Tell nicht recht
hat:
„Es kann der Frömmste nicht in Frieden bleiben, wenn es dem bösen Nachbar nicht
gefällt“