Eine Residenz für den Sonnenkönig. Mehr als ein Baubericht.

  • Französischer Barock ist ja schon was Schönes, besonders im Bereich der Musik, aber auch architektonisch. Deshalb habe ich mich sehr gefreut als ich neulich einen Modellbogen von seinem Hauptwerk entdeckte. Es handelt sich natürlich um das wohl geschichtsträchtigste Schloss Europas, die Residenz zu Versailles.
    Der Bogen ist in ein kleines Computerspiel eingebettet, vorgestellt habe ich ihn bereits hier.
    Diesen Bogen zu bauen habe ich nun vor.
    Da er aber die Möglichkeit liefert sämtliche Bauphasen des Schlosses darzustellen (das wird in besagtem Computerspiel sehr schön vor Augen geführt) möchte ich genau dieses tun. Dieser Baubericht wird also etwas, sagen wir: ungewöhnlich. Ich möchte euch nämlich auf eine kleine Zeitreise einladen, auf der wir zusammen mit Louis XIV die Baufortschritte in Versailles verfolgen werden. Also auf ins 17. Jahrhundert!

    Noch nicht in der richtigen Stimmung? Da lässt sich doch Abhilfe schaffen: Monsieur Savall, spielen Sie auf!
    [video]http://www.youtube.com/watch?v=MoVhEGrLXx0[/video]

    Bild: CC BY-SA 3.0, Adesio2010; aus Wikimedia Commons

  • (wird laufend ergänzt)


    Ludwig XIV., König von Frankreich.
    Ludwig XIII. , sein Vater und Vorgänger.
    Jean-Baptiste Colbert, Berater des Königs.
    Jules Hardouin-Mansart ------- )
    Louis Le Vau--------------------- > Architekten.
    Philibert Le Roy --------------- )
    Charles Le Brun, Maler und Innenarchitekt.
    Hyacinthe Rigaud, Maler.
    Jean-Baptiste Lully, Komponist.
    André Le Nôtre, Gartenarchitekt.
    Jules Mazarin , Kardinal und regierender Minister.
    Nicolas Fouquet, Finanzminister.

  • Hier haben wir unsern Bauherrn, den Sonnenkönig selbst: Seine Allerchristlichste Majestät Ludwig XIV., König von Frankreich und Navarra (*1638, 1715; König ab 1643).

    Das Modell ist eigentlich eine Bastelpostkarte, erschienen 1988 bei L’Instant Durable. Die Figur wurde von Anne-Marie Piaulet gestaltet nach Hyacinthe Rigauds berühmten Portrait von 1701.
    Modellbauerisch keine große Herausforderung: Vorder- und Rückseite mit Fußlaschen, von mir auf ein Stück Finnpappe geleimt. Leider sind die beiden Teile, besonders im Bereich des rechten Arms, nicht hundertprozentig deckungsgleich. Der Stock ist am unteren Ende recht empfindlich geraten und sollte mit Vorsicht behandelt werden.

  • Quote

    Und nun vite, vite...


    Gemach! Rom wurde nicht an einem Tag erbaut, ganz zu schweigen vom plus bel endroit au monde!

  • Hallo Felix,



    optisch schön umgesetzt von Instant Durable, inklusive den dem Adel vorbehaltenen roten Schuhabsätzen.


    Zaphod

  • Wir befinden uns im Jahr 1661 nach Christus. Ganz Gallien ist von den Röm… Quatsch. Nochmal: Wir befinden uns im Jahr 1661 nach Christus. Ganz Frankreich steht unter der Herrschaft Ludwigs XIV. Wirklich? Nein: Kardinal Mazarin, der seit 1643 für den damals vierjährigen König die Regierungsgeschäfte führt, hört nicht auf dem Monarchen den Thron vorzuwärmen. Doch nun ist es so weit: der Kardinal hat das Zeitliche gesegnet und Ludwig kann als vollwertiger absolutistischer Herrscher die Macht übernehmen.
    Am 17.08. schmeißt sein Finanzminister, Nicolas Fouquet (der bald wegen Veruntreuung von Staatsgeldern verhaftet wird), auf seinem gerade fertiggestellten Schloss Vaux-le-Vicomte eine gewaltige Einweihungsfeier, zur der selbstverständlich auch Ludwig eingeladen ist. Dieser ist von den Socken ob der Schönheit und Pracht der Schlossanlage und stellt den Architekten Louis Le Vau, den Maler und Innenarchitekten Charles Le Brun und den Gartenarchitekten André Le Nôtre, die gemeinsam Vaux-le-Vicomte errichteten, in seine Dienste.


    Bild: gemeinfrei (CC0 1.0), Jebulon; aus Wikimedia Commons

  • Auch hier haben wir wieder eine Postkarte von L’Instant Durable, diesmal 1991 von Jean-Marie Lemaire gezeichnet. Der Begriff Modell ist in diesem Fall vollkommen unangebracht, es handelt sich eher um eine Vedute.


    Der Aufbau ist sehr simpel: das Gartenteil wird mit zwei Einschnitten und drei Knicken zur Bühne geformt – die störende Titelzeile habe ich abgeschnitten – und das Schlossteil an seinen Platz gesetzt. Weil der Leim auf der Beschichtung nicht gut haftet habe ich die oberste Schicht der Klebelaschen entfernt; da ich bei Postkartenmodellen die Knicklinien nicht mit der Nadel rille sondern mit dem Cutter ritze geht das recht einfach vonstatten.


    Fertig ist eine schöne Ansicht des Schlossgartens von Vaux-le-Vicomte.

  • Ludwig hat nach seinem Besuch in Vaux-le-Vicomte drei bedeutende Künstler angeheuert. Der Auftrag: Er möchte auch ein so schönes Schloss auf dem Land haben. Denn der Louvre, die bisherige Residenz der französischen Könige, liegt mitten im immer hektischer werdenden Paris.
    Praktischerweise besitzt der junge König ein kleines Jagdschloss fünf Leugen (also etwa 20 km) vor der Stadt, das sein Vater und Vorgänger mit der Nummer XIII 1631–34 von Philibert Le Roy hat bauen lassen. Dieses stellte die Erweiterung eines Jagdhauses von 1623 dar, das so klein war, dass man es als „Kartenhaus“ verspottete. Dieses Jagdschloss, eine Dreiflügelanlage mit vier niedrigen Ecktürmen, möchte sich Ludwig ausbauen lassen. Es steht in einem kleinen Weiler namens Versailles.

    Bilder: gemeinfrei, da Schöpfer seit mehr als 70 Jahren tot, Jacques Gomboust / Israel Silvestre; aus Wikimedia Commons.

  • Jetzt kann der Bau des Download-Modells losgehen. Dazu musste ich erst das wirklich nett gemachte Flash-Spiel durchspielen und konnte dann im „Buch“ alle acht PDFs im Zip-Ordner laden. Die Teile für das alte Jagdschloss befinden sich in der Datei „Chateau1.pdf“ und sind dort auf zwei Seiten verteilt. Lassen wir mal den Drucker laufen.

    Aha, sieben Teile in handlicher Größe. Die Binnengrafik ist vorbildlich, leider ziehen sich jedoch fette Knicklinien durch die Teile. Dass diese Unsitte aber auch nicht auszumerzen ist …
    Eine Bauanleitung gibt es gar nicht, nur ein paar allgemeine Bauhinweise (je nachdem in welcher Sprache man das Spiel gespielt hat auf Englisch, Französisch, Spanisch oder Japanisch; bei mir auf Englisch). Als Hilfe beim Bau sind die Klebeflächen durchnumeriert, wobei die Reihenfolge tunlichst ignoriert werden sollte. Ich bin grundsätzlich kein Freund solcher Numerierungen, und wenn sie dann auch noch so unübersichtlich und unhilfreich sind – nee, dann doch lieber eine schöne Anleitungsskizze. Die kleine Ansicht oben im „Pergament“-Feld ist wesentlich nützlicher als all die Zahlen zusammengenommen.

  • Auf Bogen 2 sind die Teile für die Dreiflügelanlage. Ich verarbeite erst die Außenfassaden mit den Dächern und füge dann die Hoffassaden hinzu. Das entstandene Gebäude schiebe ich auf die Laschen der Grundplatte. Diese liegt dabei auf dem Tisch auf, damit sie unten bündig abschließt.
    Ich war erst ein wenig skeptisch die Grundplatte zum Schluss einzusetzen; aber es funktioniert gut und das Schlösschen steht – nach ein bisschen Anpasserei – gerade und wackelfrei.

  • Fehlen noch die vier Ecktürmchen von Bogen 1.
    Keine große Sache: die Dachflächen nacheinander verleimen, zusammen mit der letzten die vier Wände zum Quader schließen und schließlich die Grundfläche umklappen. Auch hier liegt diese auf dem Tisch auf, die richtige Formulierung wäre also: ich richte das Türmchen auf.

    Die Türmchen muss man lose rund um das Schloss aufstellen, eine Grundplatte gibt es nicht. Weil ich nur ungern so einen Haufen „Bauklötzchen“ bei mir herumfliegen habe werde ich mir eine erstellen. Doch dazu später mehr.

  • Ein Detail fehlt noch: Der Hof war auf der vierten Seite mit einer Arkade geschlossen, die im Bogen nicht dargestellt ist. Ich habe daher die Bogenreihe aus „Chateau2.pdf“ etwas verzerrt, damit die Arkade aus sieben Bögen besteht und mehrfach ausgedruckt. Zwei Ausdrucke habe ich Rücken an Rücken geklebt und seitlich so lange beschnitten bis es genau zwischen die Seitenflügel passte. Dort habe ich die Arkade stumpf angeleimt.
    Natürlich hätte ich die Bögen auch ausschneiden können, aber dazu war ich zu faul. Außerdem hätte das nicht zum Detaillierungsgrad des restlichen Modells gepasst (Dachgauben!).

    So, fertig ist das Jagdschloss Ludwigs XIII. und damit der Bauzustand von Schloss Versailles im Jahr 1661.
    Die Münze ist ein Stilbruch, ich weiß, aber ich hatte jetzt keinen Louis d’or zur Hand …



    ~~ wird fortgesetzt ~~